Oder lässt sich der Vorfall wahrheitsgemäß auch so beschreiben
und angemessen kommentieren:
Eine größere Gruppe von Demonstranten überwand leichte Absperrungen und
gelangte auf die Stufen des Reichstags und bis vor dessen Eingang.
Die von den zunächst allein anwesenden drei Polizisten herbeigerufene
Verstärkung drängte sie mit Pfefferspray zurück. Sonst gab es hier keine
Tätlichkeiten, weder gegen Polizisten noch gegen das Reichstagsgebäude.
In dieser Gruppe von Demonstranten auf der Reichstagstreppe trugen einige
Fahnen des Deutschen Bundes und des Deutschen Reichs mit den Farben
Schwarzweißrot, die die nationalsozialistische Hybris usurpiert hatte und
die zuvor schon durch schwere politische Fehler des Kaiserreichs belastet
worden war. Andere trugen die US-amerikanische und die Russische Fahne.
* * *
Anmerkungen von pro-re-publica"
Eine Minderheit von Deutschen bringt seit einiger Zeit ihre
Unzufriedenheit mit einer allzugroßen Distanzierung der offiziellen
deutschen politischen Selbstdarstellung von der deutschen Geschichte seit
der Mitte des 19. Jahrhunderts zum Ausdruck. Sie bedient sich dazu auch
der schwarzweißroten Farben. Die herrschende Politik weigerte sich von
Anfang an, mit dieser Minderheit zu sprechen oder sich auch nur in den
Gängen des Bundestages zu grüßen geschweige denn die Hand zu geben, und
sucht sie aus dem politischen Leben auszugrenzen und zu diffamieren. Das
vermehrt den Bedarf der Minderheit, auf sich aufmerksam zu machen und hat
sicherlich zur Treppenbesteigung beigetragen.
Ein Teil dieser Minderheit, gegen die sich ihr anderer Teil entschieden
wendet, zeigt sich nicht selten gewaltbereit und gewalttätig und
verherrlicht Schandtaten der Nationalsozialisten. Die deutschen
Sicherheitskräfte waren bisher vielleicht zu selten in der Lage, ihre
tatsächlichen Gesetzesbrüche zu verhindern oder aufzuklären.
Die Entrüstung führender deutscher Politiker über den „Sturm auf den
Reichstag“ vertieft den Fehler der Ausgrenzungsstrategie und erhöht die
Spannung. Ist jemand schon ein Chaot oder Nationalsozialist oder
gewaltverdächtig oder stößt er ins Herz unserer Demokratie, weil er eine
schwarzweißrote Fahne schwenkt ? Im deutschen
Interesse ist statt Diffamierung eine sachliche Auseinandersetzung mit
der Unzufriedenheit und Kritik der Minderheit erforderlich. Die die
Bestürzung des mainstream auslösende fahnenbegleitete Besteigung der
Reichstagstreppe wäre besser ohne aufgeregte Kommentare zur Kenntnis und
zum Anlass für Überlegungen über eine Diskussion genommen worden. Die
Bezugnahme im Bericht über die Reichstagstreppe auf Gewalttaten, die vor
der russischen Botschaft stattfanden ist prädestiniert missverstanden
zu werden: Es gab beim Reichstag offenbar – außer dem Wegschieben und
Übersteigen einiger Absperrgitter - keine Gewaltanwendung, weder gegen
Polizisten noch gegen das Gebäude. Von einem Sturm auf den Reichstag kann
nicht ernsthaft die Rede sein, die Treppenbesteiger haben offenbar keine
Anstalten gemacht, in den Reichstag einzudringen. Es läss sich daher nicht
sagen, dass sie die Polizei daran gehindert hätte.
Magazin Politik:
Demonstranten stürmen durch Absperrung auf Reichstags-Treppe
Aktualisiert am 30. August 2020, 13:57 Uhr
https://web.de/magazine/politik/corona-demo-berlin-stimmung-aufgeheizt
-35037934
Die meisten Demonstranten waren am Samstag in Berlin friedlich. Aber eine
große Gruppe aggressiver Demonstranten nutzte die Gelegenheit und stürmte
bis vor den Eingang des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude.
Politiker zeigten sich über die Szenen bestürzt. Mehr aktuelle News finden
Sie hier:
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Politiker fast aller Parteien
haben das Vordringen von Demonstranten auf die Treppe des
Reichstagsgebäudes in Berlin am Samstagabend scharf verurteilt. Steinmeier
teilte am Sonntag mit: "Reichsflaggen und rechtsextreme Pöbeleien vor dem
Deutschen Bundestag sind ein unerträglicher Angriff auf das Herz unserer
Demokratie. Das werden wir niemals hinnehmen." Er dankte den Polizisten,
"die in schwieriger Lage äußerst besonnen gehandelt haben".
Eine große Gruppe aggressiver Demonstranten gegen die Corona-Politik hatte
am Samstagabend Absperrgitter am Reichstagsgebäude in Berlin überwunden.
Sie stürmten die Treppe hoch und bauten sich triumphierend vor dem
verglasten Besuchereingang auf. Dabei waren auch die von den sogenannten
Reichsbürgern verwendeten schwarz-weiß-roten Reichsflaggen zu sehen, aber
auch andere Fahnen. Anfangs standen nur drei Polizisten der grölenden Menge
entgegen. Nach einer Weile kam Verstärkung, und die Polizei drängte die
Menschen auch mit Hilfe von Pfefferspray zurück.
Angriffe auf Polizisten
Zuvor hatten nach Schätzungen der Polizei knapp 40.000 Menschen aus ganz
Deutschland weitgehend friedlich gegen die Corona-Politik demonstriert. Am
Rande kam es allerdings vor allem vor der russischen Botschaft nahe dem
Brandenburger Tor zu Angriffen von Reichsbürgern und Rechtsextremisten auf
Polizisten. Aus einer Menge von 3000 Menschen wurden Steine und Flaschen
geworfen. Bundespräsident Steinmeier betonte: "Unsere Demokratie lebt." Wer
sich über die Corona-Maßnahmen ärgere oder ihre Notwendigkeit anzweifele,
könne das tun, auch öffentlich, auch in Demonstrationen. "Mein Verständnis
endet da, wo Demonstranten sich vor den Karren von Demokratiefeinden und
politischen Hetzern spannen lassen." Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble
(CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Nach diesen Szenen sollte der
Letzte verstanden haben, dass es auch Grenzen des Anstands gibt, wie weit
man mitträgt, wer mit einem mitläuft. Der Verantwortung, sich bei seinem
Protest nicht von Extremisten instrumentalisieren zu lassen, kann sich
niemand entziehen.» Dass es überhaupt zu diesem Angriff kommen konnte,
"muss schnell und umfassend aufgearbeitet werden". Bundesinnenminister
Horst Seehofer (CSU) erklärte in der «Bild am Sonntag": "Das
Reichstagsgebäude ist die Wirkungsstätte unseres Parlaments und damit das
symbolische Zentrum unserer freiheitlichen Demokratie. Dass Chaoten und
Extremisten es für ihre Zwecke missbrauchen, ist unerträglich."
Außenminister Heiko Maas (SPD) twitterte: "Reichsflaggen vorm Parlament
sind beschämend." SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz schrieb: "Nazisymbole,
Reichsbürger- & Kaiserreichflaggen haben vor dem Deutschen Bundestag rein
gar nichts verloren." SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte, der
Ältestenrat des Bundestages müsse klären, "wie Sicherheitskonzepte
ausgesehen haben".
Rechte Szene jubelt
Der Initiator der großen Demonstration, Michael Ballweg von der
Stuttgarter Initiative Querdenken, distanzierte sich von den Randalierern.
"Die haben mit unserer Bewegung nichts zu tun." Querdenken sei eine
friedliche und demokratische Bewegung, Gewalt habe da keinen Platz. Er
verstehe aber nicht, warum der Berliner Innensenator "nicht entsprechende
Polizeikräfte aufwartet, um solchen Aktionen zu begegnen" - zumal diese
vorher bekannt gewesen seien, meinte Ballweg. "Warum ist er nicht in der
Lage, das Gebäude zu schützen?" Videos, die im Internet kursieren, zeigen,
wie weit mehr als hundert jubelnder und grölender Menschen minutenlang auf
und oberhalb der großen Treppe direkt vor der Tür des Reichstags stehen.
Neben der Reichsfahne sind auch deutsche, amerikanische und russische
Fahnen sowie Transparente zu sehen. Drei Polizisten versuchen, die Menge
mit dem Schwenken von Schlagstöcken auf Abstand zu halten. Im Hintergrund
ruft ein Mann: "Wir sind friedlich, wir sind friedlich." Ein anderer Mann
schreit ständig: "Wahnsinn, Wahnsinn."