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Der "Fall Maassen" (2018)

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von/by Dr. Christian Heinze (Kontakt/Contact) vom 18.1.2019

Am frühen Morgen des 26. August 2018 wurde in einer allgemein ausländer-skeptischen bis -feindlichen Atmosphäre in Chemnitz ein Mann getötet, als er versucht haben soll, eine Frau gegen Angreifer zu verteidigen. Der Tat verdächtigt wurden irakische und ein syrischer Flüchtlinge. Darauf kam es in Chemnitz zu Unruhen mit Massendemonstrationen und Zusammenstößen verschiedener politischer Gruppen und der Polizei. Demonstranten skandierten "Wir sind das Volk schwarzweißrot schwarzrotgold das sind unsere Farben das ist unser Land das lassen wir uns nicht nehmen!" Demonstrationen sollen von der AfD initiiert worden sein. Am Tattag veröffentlichte eine „Antifa Zeckenbiss“ ein Video vom gleichen Tage mit Männern, die sich im Chemnitzer Straßenbild bewegen und rennen, mit der Überschrift „Menschenjagd in Chemnitz Nazi-Hools sind heute zu allem fähig“ (https://twitter.com/AZeckenbiss/status/1033790392037199873). In alsbald folgenden Medienberichten und in der Äußerung eines Sprechers der Bundesregierung wird die im Video zu sehende Bewegung mit dem in der Veröffentlichung des Videos nicht enthaltenen Ausdruck "Hetzjagd" beschrieben.

Dazu äußerte sich der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Hans Georg Maassen (1) in einem Interview für die Bild-Zeitung vom 31.8.2018: „Die Skepsis gegenüber den Medienberichten zu rechtsextremistischen Hetzjagden in Chemnitz wird von mir geteilt“ und: dem Verfassungsschutz lägen keine Belege dafür vor, dass das Antifa-Video "authentisch" sei, und es lägen auch „keine belastbaren Informationen darüber vor, dass solche Hetzjagden stattgefunden haben“, ferner: „Nach meiner vorsichtigen Bewertung sprechen gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken“ (http://www.taz.de/Diskussion-ueber-Hetzjagden-in-Chemnitz/!5533957/).

Zwar stand zum Zeitpunkt des Interviews nicht fest, noch wurde später festgestellt, ob Aktionen im Rahmen der Chemnnitzer Demonstrationen, die mit Angriffen auf und Bedrohungen von Teilnehmern, Journalisten und Personen mit Migrationshintergrund verbunden waren, die Bezeichnung als Menschenjagd rechtfertigen oder nicht. Wohl aber drohte durch Kommentare zu den Ereignissen und dem Video Verhetzung der Bevölkerung durch Übersteigerung von Angst, Unzufriedenheit, Wut, Hass und sogar Gewalt. Das bedeutete die Gefahr einer nachhaltigen Störung des inneren Friedens und einer an Wahrheit orientierten freien Volksmeinungsbildung. Dem trat der Präsident entgegen, indem er sich besänftigend an die Öffentlichkeit wandte. Wenn er dabei auf die Möglichkeit einer gezielten Falschinformation hinwies, so ist das durch die große Distanz zwischen dem Inhalt des Videos und seiner Überschrift in Verbindung mit der Selbstbezeichnung "Zeckenbiss" des im übrigen anonymen Autors gerechtfertigt. Bestand kein ausreichender Anlass, von einer Menschenjagd auszugehen, diente die Äußerung Maassens der Eindämmung von Unruhe. Maassen soll dabei das Video als Fälschung bezeichnet haben. Tatsächlich hat er Zweifel an dessen "Authentizität" geäußert. Sie knüpfen an die Verbindung der Video-Veröffentlichung mit der Behauptung einer "Menschenjagd" und nicht an das an, was in dem Video tatsächlich zu sehen ist und enthalten daher nicht die Behauptung einer Fälschung.

Je gravierender die in Chemnitz hervorgetretenen Spannungen einzustufen sind, umso richtiger erscheint die Äußerung des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz in ihrer Intention und Eignung zur Dämpfung von Eskalationstendenzen. Wer dagegen die Stellungnahme des Präsidenten massiv kritisiert, unterstützt Verhetzung statt Gefahren zu bekämpfen. Bis hierher hendelt es sich um einen Vorgang geringen Gewichts. Erst durch Aktion und Reaktion der politischen Führung wird er zu einem "Fall Maassen" von politischer Bedeutung.

Das begann mit massiver, mit Rücktrittsforderungen verbundener Kritik an Maassen durch die SPD-Führung, der dadurch Gewicht zukam, dass eine nur knapp über eine Mehrheit im Bundestag verfügende "große" Regierungskoalition zwischen CDU/CSU und SPD soeben erst nach langdauernden und schwierigen Verhandlungen auf der Grundlage lückenhafter, teilweise unklarer und widersprüchlicher Kompromisse insbesondere unter Ausklammerung wichtiger anstehender Probleme zustande gekommen war. Dem inneren Frieden hätte am besten gedient, wenn der Innenminister mit Billigung der Bundeskanzlerin Angriffe gegen Maassen mit sachlicher Begründung zurückgewiesen hätte und zur Tagesordnung und insbesondere genauen Aufklärung der Chemnitzer Ereignisse und ihrer Hintergründe übergegangen wäre. Stattdessen kulminierte die Reaktion auf die SPD-Kritik in der Veröffentlichung der Absicht des der CSU angehörenden Bundesinnenministers als vorgesetzte Behörde des Bundesamts für Verfassungsschutz, Maassen als Staatssekretär oder Sonderberater in das Bundesinnenministerium zu übernehmen und zu diesem Zweck einen amtierenden Staatssekretär zu versetzen, und gerann schließlich zu einer von der Bundeskanzkerin zumindest mitgetragenen Versetzung Maassens in den einstweiligen Ruhestand.

Der "Fall Maassen" gewann entgegen einschlägigen Versuchen keine zusätzliche politische Bedeutung und die Versetzung Maassens in den Ruhestand keine zusätzliche Begründung durch dessen Kontakte mit der AfD. Diese Kontakte umfassten Auskünfte des Präsidenten darüber, welche Verhaltensweisen geeignet sind, eine intensivere Beobachtung durch sein Amt auszulösen. Denn solche Auskünfte liegen, gerade angesichts der Unklarheit von Begriffen wie Verfassungsfeindlichkeit, im Interesse des Verfassungsschutzes. Ferner müssen, wenn es zu den Aufgaben der Parteien gehört, für eine Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen zu sorgen (§ 1 Abs. 2 des Parteiengesetzes), auch Staatsorgane wie das Bundesamt für Verfassungssschutz zu solchen Verbindungen beitragen. Als ihr Gegenstand und Inhalt kommt Hilfe des Bundesamts im Rahmen seiner auf Sammlung, Bewertung und Weitergabe von Information gerichteten Aufgaben bei einer Bekämpfung verfassungsfeindlicher Tendenzen durch Mitglieder der AfD in Betracht. Nicht anders verhält es sich mit einem Hinweis des Präsidenten, er halte die AfD nicht für eine rechtsextremistische Partei (siehe NZZ 13.9.2017), oder mit seinem Hnwies auf linksextreme Tendenzen innerhalb der SPD. Bei aller Vagheit, wie sie der Äußerung begründeten Verdachts eigen ist, liegt der Hinweis gerade im Interesse der Partei.

Als Ergebnis beschädigte die Maßlosigkeit der Kritik an den Äußerungen Maassens das Vertrauen der Bevölkerung in die Qualität der politischen Entfaltung dieser Partei. Sodann erschütterte die "Personalpolitik" des Bundesinnenministers (2) angesichts einer objektiven Würdigung dieses Verhaltens von Maassen das Vertrauen der Bevölkerung und Beamten in eine angemessene Behandlung von insbesondere leitenden Beamten durch die Regierung sowie in die Qualität der Entfaltung des Bundesamts für Verfassungsschutz und des Bundesinnenmnisteriums. Ferner trug die Aufbauschung des "Falles Maassen" zu einer Vermehrung der Unruhe und des Streits innerhalb der Bevölkerung bei. Damit beschädigt sie die Bundesregierung, deren Bestand und Handlungsfähigkeit ohnehin durch die Bedingungen der Regierungsbildung gefährdet ist, während die durchaus problematische Lage Deutschlands in einem verunsicherten Europa einer stabilen Regierung und einer einigen Bevölkerung in besonderem Maße bedarf.

Der "Fall Maassen" ist Teil einer Ruhe und Ordnung und den inneren Frieden beeinträchtigenden Entwicklung und Lage, die durch die konkreten Bedingungen und Merkmale der Massenimmigration nach Deutschland und durch die Reaktion der Bevölkerung darauf gekennzeichnet ist. Um diese Beeinträchtigung und die Gefahr weiterer Beeinträchtigungen zu beenden, bedarf es effektiver, konkreter, gesetzmäßiger und transparenter sowie nach Eignung und Realisierung glaubwürdiger Regulierung der Immigration und Planung und Sicherstellung der Versorgung der Immigranten mit Arbeit und Lebensunterhalt und vor allem Wohnung sowie Integration in das Gemeinschaftsleben durch Bund, Länder und Gemeinden. Integration bedarf der aktiven Beteiligung der Bevölkerung, die von der Notwendigkeit und Vorteilhaftigkeit der Immigration und der sicheren Gewährleistung tauglicher Merkmale und Bedingungen durch Bund, Länder und Gemeinen und auch von gesellschaftlichen Beiträgen überzeugt und dadurch zu einer positiven Haltung bewogen werden muss. (Vgl. dazu die Beiträge (A) und (B) dieser Homepage zur Migration.) Außer demjenigen des Präsidenten des Bundes- Verfassungsschutzamtes lässt kein Verhaltens der amtlich Beteiligten im "Fall Maassen" einen Bezug zu diesen Aufgaben und Erfordernissen erkennen, es sei denn denjenigen, dass die auf die Maßregelung Maassens verwendete Energie für diese Aufgaben besser angebracht gewesen wäre. Der Verdacht drängt sich auf, dass der "Fall Maassen" einigen seiner Autoren als Ablenkung des Publikums von ungelösten Aufgaben willkommen war.

Fußnoten:

(1) Das CDU-Mitglied Maassen war Leiter des Referats für Ausländerrecht und der Unterabteilung für Terrorismusbekämpfung unter Bundesinnenminister Otto Schily, ehe er im Jahre 2012 die Leitung des Bundesamts übdernahm. Der Juris hatte mit einer Dissertation über "Die Rechtsstellung des Asylbewerbers im Völkerrecht" promoviert, in der er im Völkerrecht nur sehr geringe Mindestverbürgungen für Ausländer sah. Die Arbeit war von Gertrude Lübbe-Wolff (später Richterin am Bundesverfassungsgericht) kritisiert worden. (FAZ vom 18.9.2018.)

(2) Für die Versetzung Maassens in den Ruhestand könnte eine Rolle gespielt haben, dass er im Jahre 2015 die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin im Kreise von Journalisten und Parlamentariern heftig angegriffen und später auch öffentlikch kritisiert hat (FAZ vom 18.9.2018).

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