Wirtschaft
Zypernkonflikt Christian Heinze Rechtsanwalt |
Alternative für Deutschland.
Darstellung und Würdigung einer seit 2015 in deutschen Landtagen
und seit 2017 im deutschen Bundestag vertretenen Partei.
von Dr. Christian Heinze. *
Eine subpage zur Seite:
pro-re-publica.eu
2016 10 22, ergänzt 12.2. und 20.9.2017, redigiert am 13.1.2019,
Ticker gelegentlich ergänzt seit 16.9.2017.
|
|
2019 01 |
Der 66-jährige Bremer AfD-Vorsitzende Frank Magnitz wurde Anfang Januar in einem Seitenweg beim Bremer Goethe-Theater von hinten mit vorgestrecktem Ellenbogen angesprungen, so dass er auf den Boden aufschlug. Er erlitt Kopfverletzungen, deren Art nahezulegen scheint, dass bei dem Angriff, an dem drei Täger beteiligt waren, ein scharfkantiger Gegenstand verwendet wurde. Nach 2 Tagen verließ der Verletzte das Krankenhaus. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die verbreiteten Versuche zur Ausgrenzung der AfD zu einem Klima beitragen, das bei fanatisierten Gegnern der Partei oder ihrer Mitglieder oder Anhänge den Entschluss zu solchen Tagen nahelegen kann. Es verdient deshalb im Interesse von Sicherheit, Ordnung, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aufmerksamer Beobachtung, wie die Strafverfolgungsbehörden aber auch andere staatliche Stellen und die politische Agitation und Publizistik mit dem Fall umgehen. |
2018 07 | Die Fraktionsvorsitzende im Bundestag der AfD Alice Weidel kommentiert den Rücktritt Mesut Özils aus der deutschen Fußball- Nationalmannschaft als Beweis für missglückte Integration von Migranten in Deutschland. Özil ist ein in deutschland geborener Sohn türkischer Eltern. Er besitzt ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Rücktritt beruht auf Diskriminierung Özils wegen seiner türkischen Wurzeln und mangelndem Respekt dafür. Im deutschen und europäischen Interesse läge es hervorzuheben, dass der Integrationsmangel in der Geringachtung der Meinungsfreiheit und einem Mangel an Respekt für die Türkei eines großen Teils der deutschen Gesellschaft, Medien und Politiker seine Ursache hat. Weidel verfehlt damit den Anspruch der AfD, den europäischen und deutschen Interessen besser zu dienen als die anderen Parteien. Stattdessen verschärft sie den innerdeutschen Konflikt um Integration, anstatt zu seiner Bewältigung beizutragen. |
2017 09 26 | Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry kündigt Austritt aus der AfD zu einem unbestimmten Zeitpunkt an. Unterstellt man ihre Absicht, eine neue Partei zur Sammlung regierungskritischer Kräfte zu gründen, so erscheint der Schritt als Konsequenz ihres Ziels, extremistische Elemente der AfD zu mäßigen oder auszuschließen. Er entspricht auch dem Ziel, an der Regierung teilzuhaben, denn eine regierende Partei kann sich nicht gut als "Alternative" bezeichnen. Eine neue Partei würde nicht nur gemäßigte Elemente der AfD sondern auch regierungskritische Elemente anderer Parteien (insbesondere der FDP) anziehen, die dort nicht genügend zum Zuge kommen. Zur neuen Partei könnten ferner Politiker stoßen, die die AfD bereits früher verlassen haben, um sich von extremistischen Tendenzen zu distanzieren. Zu früh für das von Justus Bender und Markus Wehner in der FAZ vom 28.9.2017 gefeierte Glück Gaulands. |
2017 09 24 | Die AfD zieht mit 94 von 630 Sitzen in den 19. Bundestag ein. Sie hat neben der FDP die meisten der Wähler angezogen, die sich von CDU/CSU/SPD getrennt haben. Die Regierungsparteien reagieren nicht mit kritischer Betrachtung ihrer eigenen Politik sondern mit verstärkter Demonstration ihres Selbstbewusstseins und mit Heraufstufung ihres Anti-AfD-Jargons ("Nazinähe", "Rassismus", "Völkische" usw.). Frau Petry kündigt an, die Partei auf Sachthemen zu konzentrieren und Extremisten auszuschließen um in ein paar Jahren die stärkste Partei zu werden. Gauland will hauptsächlich die Kanzlerin "jagen", und nach Meuthen muss Petry die Partei verlassen. |
2017 09 08 | Justus Bender dessen weniger auf sachliche Programmpunkte als auf rassistische und nationalistische Äußerungen gerichtete Kritik an der AfD wiederholt in der FAZ erschienen sind, identifiziert diese Partei am Vorabend der Bundestagswahl in dieser Zeitung mit Präferenzen für ein Deutschbleibenwollen, mit einer Vorliebe für Provokationen, mit den weiter unten zitierten Äußerungen eines angeblich selbst entfremdeten Alexander Gauland und einer Empörung und Aufmüpfigkeit von Frau Alice Weidel (Andeutung ihrer Meinung, Bundeskanzlerin Merkal habe sich strafbar gemacht). Themen aus dem Parteiprogramm der AfD bleiben wiederum ausgeblendet. |
2017 09 | Anknüpfend an die Äußerung der Bundesbeauftragten für Integration Aydin Özoguz vom 14.5.2017 : „Eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar“ befürwortet das Vorstandsmitglied der AfD Alexander Gauland, Frau Özoguz "in Anatolien zu entsorgen". Die Aussage von Frau Özoguz könnte zwar auf Bildungslücken hindeuten. Die mit einer Anspielung auf ihren Migrationshintergrund gewürzte Verachtung Gaulands für Frau Özoguz und für Anatolien ist aber eine Schande für Deutschland, die der AfD zuzurechnen ist, solange das ihr zugrunde liegende Denken nicht aus der Partei verbannt ist. Dasselbe gilt für Glaulands Bezeichnung von Flüchtlingen als "Lumpenproletariat" und für seine Bewertung, Deutschland mache sich durch die Flüchtlingskrise zum "Fußabtreter der Welt". |
2017 08 16 | Die FAZ berichtet von einer Äußerung des AfD-Vorsitzenden Gauland, die Deutschen hätten das Recht, stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen. Richtig ist, dass die meisten deutschen Soldaten in beiden Kriegen tapfer ihr Leben eingesetzt haben im Glauben oder zumindest in der Hoffnung, für den Bestand ihres Landes zu kämpfen. Ihre militärischen Erfolge in beiden Kriegen entsprachen ihrem Einsatz, ihre Opfer zum Teil skandalösen Führungsfehlern. Als das Volk sich vor dem Zweiten Weltkrieg einer Führung anvertraut hatte, die den Einsatz befahl, hinderte es Irrtum und Verblendung an der Wahrnehmung der hohen Gefahr, dass seine Soldaten missbraucht werden würden, um unerhörte Verbrechen, Unterdrückung und Völkermord zu ermöglichen. Als die Erkenntnis dämmerte und möglich wurde, fanden sich diese Soldaten im Kampf um das eigene Leben, um das ihrer Kameraden und ihres Volks und verstrickt in eine Diktatur wieder, die ihnen keine andere Wahl ließ, als diesen Kampf und Hoffnung oder Tod unter Aufgabe ihrer Familien und ihres Landes. Eine Partei, die die militärischen Leistungen dieser Soldaten hervorhebt, ohne im gleichen Atemzug zu bekennen, dass die dadurch ermöglichten Verbrechen verbieten, auf die Leistungen stolz zu sein, wird weder den Soldaten noch den Opfern der mit ihrer Hilfe begangenen Verbrechen gerecht und beschädigt das gegenwärtige und künftige Ringen um Frieden und Deutschlands Zukunft. |
2017 09 | Die FAZ berichtet von einer von AfD-Mitglied Gerd Teske mitgeteilten Geschichte, wonach Facebookgruppen mit zusammen 180.000 AfD-Anhängern von einer unterwandernden "Administratorin" umbenannt und mit Satiren auf die AfD verbunden weiterbetrieben wurden. |
2017 08 | Die AfD veranstaltet einen "Russland-Kongress". Übersetzungen
von Reden Putins werden verteilt. Ein Fähnchen zeigt einen
doppelköpfigen Adler mit Zepter und Reichsapfel, das Staatswappen
der russischen Föderation. Der sachsen-anhaltinische
Landesvorsitzende der AfD André Poggenburg äußert sich
apologetisch zur russischen Krimpolitik ("Sezession").
Publikumsstimmen kommen zu Wort, die demgegenüber auf
stalinistische Tendenzen in Russland hinweisen. Ein Film kritisiert
(RT Deutsch) Einfluss der USA in Deutschland.
Der Vorsitzende des Mittelstandsausschusses der AfD, Hans-Jörg
Müller, entwirft das Phantasma einer US-Politik
zur Vernichtung Russlands ("Kriegstreiber") und zu
seiner Entfremdung von Europa oder
Deutschland. Beim Abschuss des Malaysian Airlines Flug MH 17 müsse
er "an die Maine" denken, die die amerikanische Regierung selbst
gesprengt habe. (Justus Bender,FAZ 14.8.2017.)
Die Apologetik Pggenburgs dürfte überall im Westen Anhänger finden. Die der Untermauerung durch belastbare Tatsachen entbehrenden und mehr als unwahrscheinlichen diffamierenden Vorwürfe Müllers gegen die USA laufen auf Hetze hinaus und schädigen deutsche Interessen. |
2017 03 30 | Abruf eines Blogbeitrags des Afd-Mitgliedes Nicolaus Fest (nicolaus-fest.de): "...wir riefen Gastarbeiter, bekamen aber Gesindel". Eine Partei, die solche Äußerungen aus ihren Reihen duldet, macht sich zum Komplizen einer schweren Kollektiv-Beleidigung und Hetze und einer Beschädigung des Ansehens, der Integrität und der Interessen der deutschen Bevölkerung und Deutschlands. |
2017 01 | Björn Höcke, Landesvorsitzender der AfD in Thüringen, weist darauf hin, dass Denkmäler eigener Schande wie das Holocaust-Denkmal in Berlin in anderen Ländern unüblich sind. Der Zusammenhang seiner Äußerung lässt erkennen, dass er das Denkmal eher ablehnt. Gegner der AfD reagieren nicht mit Sachargumenten sondern mit Verurteilung der Äußerung und mit der Verdrehung, Höcke habe das Denkmal als Schande bezeichnet. Stattdessen wäre zuzugestehen gewesen, dass sich jede Generation die Frage des Denkmals neu stellen darf und soll, dass aber das deutsche Volk in seinem Bundestag das Denkmal wegen der ungewöhnlichen Dimension der Schande beschlossen hat, an der Deutschland trägt. (Näheres in dem gesonderten Beitrag des Verfassers dieser Seite.) |
2016 12 | Der AfD-Bundesvorstand beschließt, die Partei müsse "ganz bewusst und ganz gezielt immer wieder politisch inkorrekt sein, zu klaren Woren greifen und auch vor sorgfältig geplanten Provokationen nicht zurückschrecken" (zit. bestätigt in FAZ 2017 09 09). Der Beschluss mag beunruhigen, ist aber demokratisch ausgesprochen legitim. |
2016 10 26 | Die AfD berichtet auf Facebook: Eltern werden mit Bußgeldern belegt, weil sie Teilnahme ihres Kindes am Schulbesuch einer Moschee verweigern. Und: Aufregung entsteht, weil Kinder in einem ökumenischen Gottesdienst zum Vorlesen und Anhören von Korantexten angehalten wurden. Anderwärts werden Schüler mit arabischen Zeichen vertraut gemacht. Die AfD kommentiert: „hier läuft etwas schief.“ Das ist mehrdeutig und leistet religiöser und rassischer Intoleranz Vorschub. Denn wenn hier etwas schief läuft, ist es Intoleranz gegen die mohammedanische Religion und gegen arabische Schrift, und Protest gegen eine Demonstration religiöser und internationaler Toleranz. Von einer der Religionsfreiheit verpflichteten Partei wäre zu erwarten, dass sie sich entschieden für solche Schulbesuche und Lehrinhalte einsetzt, zumal zu den "arabischen Zeichen" auch unsere Ziffern gehören. |
2016 06 29 | Felix M. Steiner weist in "Cicero" (http://www.cicero.de/berliner-republik/afd-und-identitaere-die-stunde-der-neuen-rechten) auf Verbindungen von AfD-Mitgliedern mit dem sachsen-anhaltinischen Rittergutsbesitzer Götz Kubitschek und mit der „Neuen Rechten“) hin und erhebt den Vorwurf des Rassismus gegen einen Vortrag von Björn Höcke. Die Kontakte gereichen nicht zum Vorwurf, schon weil sie gerade auch der Auseinandersetzung gedient haben können. Für die Bewertung der Rede Höckes als rassistisch beruft sich Steiner auf die homepage von Werner J. Patzelt, dem Gründungsprofessor des Instituts für Politikwissenschaft an der TU Dresden (http://wjpatzelt.de/?p=731 ). Diese homepage sucht die Äußerungen Höckes zum Immigrationsdruck aus Afrika als rassistisch darzustellen. Ihre Argumentation ist nicht überzeugend. (Näheres weiter unten in dieser homepage im zweiten Anhang.) |
2016 05 29 | faz-net erwähnt eine Aussage von Gauland, "Die Leute ... wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben". Es mag in Deutschland Leute geben, die Boateng nicht als Nachbarn haben wollen, aber eine Partei, die das nicht in aller Entschiedenheit schilt, sondern eher als normal erscheinen lässt, ist des Rassismus so gut wie überführt. |
2014 | Seit 2014 muss sich die AfD mit Vorwürfen illegaler Annahme von Parteispenden auseinandersetzen. Sie hat in relativ schwerwiegenden Fällen Fehler eingeräumt und mit ihrer gringen Erfahrung im Partei-Management zu entschuldigen gesucht. Solche Vorwürfe - zum Teil wesentlich gravierenderer Art - haben auch anderen politischen Parteien immer wier zu schaffen gemacht. |
Mitgliederzahl: (laut "Bild" Stand Mai 2016 ca 23.000) laut AfD homepage abgerufen am 12.2.2017: 25.000. AfD Vorstand: Frauke Petry, Jörg Meuthen, Alexander Gauland, Albrecht Glaser, Beatrix von Storch Stimmanteil: Durchschnitt letzte 12 Landtags-/Bürgerschaftswahlen: 12 % (Wahlbeteiligung 10 Länder 59,99 %) |
|
Der folgende Text ist eine Überarbeitung der ins "Archiv" verschobenen Seite Alternative für Deutschland 2013-2016. Sie knüpft an die Glossen "Alternative für Deutschland (AfD) - Analyse eines Fehlstarts" (4.10.2013) und "Alternative für Deutschland ? - eine schwindende Hoffnung" (24.8.2014) des Verfassers an. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Übersicht.
Ursprünge und Anfänge. Erste Programmatik (2013 bis 2015). Erste Erfolge und ihre Folgen. Innerparteilicher Bruch und Richtungsänderung. Das Parteiprogamm vom März 2016. Die aktuelle Programmatik der AfD und ihre Würdigung. Erfolgsgeschichte seit 2015. Gesamtwürdigung Aufdeckung von Mängeln der deutschen Demokratie. Anhang. Auszug aus dem Parteiprogramm der AfD von 2016 die europäische Transferpolitik betreffend. Anhang. Zum Rassismus-Vorwurf gegen einen Vortrag über den afrikanischen Geburtenüberschuss von Björn Höcke. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ursprünge und Anfänge.
Die Alternative für Deutschland (AfD) wurde am 6. Februar 2013 als Partei mit Sitz in Berlin gegründet (1). Ihrem dreiköpfigen Bundesvorstand gehörten der Journalist Konrad Adam, der Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke (* 1962) (2), der zuvor als Sprecher des "Bündnis Bürgerwille" (3) und als Initiator des "Plenums der Ökonomen" hervorgetreten war, und Frauke Petry an.
Stellvertretende Vorstandsvorsitzende der AfD waren Patricia Casale, der Wirtschaftsexperte und ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BdI) Hans-Olaf Henkel und der ehemalige lebenslange CDU-Parlamentarier Alexander Gauland. Zur Führungsgruppe gehörten ferner Piet Leidreiter, Beatrix Diefenbach, Verena Brüdigam, Gustav Greve, Marcus Pretzell, Ursula Braun-Moser, der durch seine öffentliche Auseinandersetzung mit Wirtschafts- und Währungsfragen bekannte Professor Joachim Starbatty (Autor von "Tatort Euro - Bürger, schützt das Recht, die Demokratie und euer Vermögen"), ferner Jörn Kruse, Helga Luckenbach, Dirk Meyer, Roland Vaubel, Georg Pazderski und Frank-C. Hansel. Von den 55 Gründern waren mehr als die Hälfte Professoren. Dieses Bündnis war im Februar 2012 gegründet worden, um einer Politik der finanziellen Risiken, einer Einschränkung der Handlungsfähigkeit Deutschlands, einem Verfall seiner demokratisch-parlamentarischen Kultur, maßlosen und unkontrollierbaren Ressourcentransfers und einer bedenklichen Verselbständigung der Exekutiven auf bundesstaatlicher und europäischer Ebene entgegenzutreten. Schon wenige Wochen nach ihrer Gründung hatte die Partei 2.000 Mitglieder und eine fulminant applaudierte Selbstdarstellung in der Stadthalle von Oberursel mit 1.200 Besuchern, darunter vielen älteren "Krawattenträgern" (4). |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Erste Programmatik (2013 bis 2015).
Im Vordergrund der ersten programmatischen Verlautbarungen der AfD stehen einige der wichtigsten Faktoren der gegenwärtigen Krise von Staat und Gesellschaft: Die AfD geißelt den allgemeinen Mangel an Wahrheit, Klarheit (Transparenz) und Zuverlässigkeit der Kommunikation und Mangelhaftigkeit der Regeln und Abläufe des politischen und ökonomischen Zusammenlebens. Sie fordert Respekt der Regierung vor verfassungsrechtlichen und vertraglichen Bestimmungen sowie Einhaltung der Gewaltenteilung und eine Ordnungspolitik, die eine leistungsfähige Marktwirtschaft erst ermöglichen (5). Die AfD will dem Bürgerwillen mehr Einfluss verschaffen durch Wiederherstellung der Wertschätzung und Selbstbehauptung des Parlaments. Die Forderung betrifft "Redemokratisierung" und bezieht sich beispielsweise darauf, dass sich der Deutsche Bundestag "in der Eurorettungspolitik fast willenlos" hat "von der Regierung zu Entschlüssen treiben lassen, deren Tragweite ... nicht zu überschauen war". Sie weist auf Irreführng der Bevölkerung in der Eurokrise hin, an der sich das Parlament beteiligt hat. Sie fordert langfristiges Denken der Parteien über Opportunität hinaus. Die AfD wendet sich gegen das Ungleichgewicht der Leistungsbilanzen (von Konsum und Produktion) europäischer Länder, das zu gigantischer Überschuldung von Staaten und Steuerzahlern, zu gigantischen Transferleistungen und verfassungswidrigen Staatshaushalten sowie zur Euro-Krise geführt hat und die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft angreift. Die Ergebnisse der Programmdiskussion in der AfD fanden in den von den Gremien und Mitgliedern der Partei beschlossenen „Politischen Leitlinien der Altlernative für Deutschland“ vom 28.4. und 1.5.2014 unter dem Motto "Mut zur Wahrheit" eine vorläufige Zusammenfassung. (6) Eliminiert man allzu vage und offensichtlich unrealistische Aufrufe sowie Programmpunkte, die auch von den meisten anderen Parteien ausreichend befürwortet werden, so lassen sich ihre Besonderheiten wie folgt zusammenfassen: - Es geht der Partei um die Behebung von Fehlentwicklungen beim Zusammenwirken von Demokratie, Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Subsidiarität und Sozialer Marktwirtschaft und um Befreiung der Diskussionsprozesse von Vorgaben sogenannter „political correctness“. Andersdenkende auch in Religionsfragen dürfen nicht eingeschüchtert oder ausgegrenzt werden. Die Leitlinien befürworten direkte Demokratie, insbesondere mit Bezug auf die Delegation wichtiger Hoheitsrechte. Personelle Verbindungen zwischen den drei Gewalten will die Partei reduzieren. Leitende Richterstellen aller Gerichte sollen durch Wahlausschüsse aus der Mitte der Richterschaft besetzt werden. Gesetze und Rechtsprechung müssen transparent (klar und einleuchtend) sein, Recht muss durchgesetzt werden. Die Leitlinien lehnen die Verlagerung wesentlicher Entscheidungen in Gremien ab, die demokratisch mangelhaft legitimiert sind. - Die Partei fordert Reduktion der überhöhten Staatsverschuldung. - Wettbewerb gibt sie den Vorzug vor Gleichmacherei. - Sie fordert das Ende der Euro-Rettungs-Finanzierung durch den Steuerzahler, die Revision der Tendenz zu einer Transferunion. Sie wendet sich gegen die über den Europäischen Stabilisierungsfonds bei Verzicht des Parlaments auf gründliche Prüfung und steuernden Einfluss begründeten enormen finanziellen Lasten, Schäden und Risiken und gegen die Verletzung des Verbots der Staatsfinanzierung durch die EZB - und fordert eine Abkehr von deren Niedrigzinspolitik. - Die Leitlinien fordern eine Auflösung des Euro-Währungsgebiets. Sie verurteilen den Bruch des Maastrichter Vertrages (1991) und kritisieren die Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts gegenüber diesem Bruch. Sie fordern, dass die die Eurokrise kennzeichnenden Schäden und Riskiken von verantwortungslosen Verursachern und nicht von Steuerzahlern getragen werden. - Die Leitlinien der AfD fordert mehr Elternverantwortung für den Werdegang ihrer Kinder. Universitäten sollen über die Auswahl der Studenten, Lehrer und Studiengänge entscheiden. Transferempfänger sollen solidarisch an der Befreiung aus ihrer Notlage mitwirken. - Die Leitlinien treten für „Westbindung Deutschlands“ und Nato-Mitgliedschaft ein. - Sie bekennen sich zur Sozialen Marktwirtschaft "im Sinne Ludwig Erhards", vorbehaltlich unersetzlicher Staatswirtschaft und staatlicher Daseinsvorsorge. Als Ordnungsrahmen fordern sie Geldwertstabilität, Verantwortung für Nutzen und Schaden des eigenen Handelns. - Bei uneingeschränktem Bekenntnis zu einer EU, der nur Kompetenzen zustehen, die von den Nationalstaaten nicht ausreichend wirksam wahrgenommen werden können (Subsidiaritätsprinzip), fordern die Leitlinien einen Abbau der Brüssler Bürokratie, mehr Wettbewerb und Eigenverantwortung. - Die Leitlinien bejahen die Zuwanderung integrationswilliger und integrationsfähiger Einwanderer auf Grund einer Auswahl nach klaren Kriterien wie Sprachkenntnis, Ausbildung, berufliches Wissen und Erfordernisse des deutschen Arbeitsmarktes und Sozialsystems und fordern Respekt gegenüber der Vielfalt unterschiedlicher Menschen. Kriegsflüchtlingen beizustehen halten die Leitlinien für eine humanitäre Pflicht. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Erste Erfolge und ihre Folgen
Die Partei hatte in kurzen Zeiträumen nach ihrer Gründung hohe Zugänge von Anhängern zu verzeichnen, die zwar bei der Bundestagswahl von 2013 nicht zu ihrem Einzug in den Bundestag sondern zu einem dem Zusammenbruch nahekommenden Niedergang der FDP (7), aber kurz danach zu spektakulären Erfolgen bei den Landtagswahlen von 2014 und im selben Jahr zum Einzug von Bernd Lucke und Olaf Henkel sowie 5 weiteren AfD-Mitgliedern in das Europaparlament führten.
Die Teilnahme der AfD am Bundestagswahlkampf von 2013 hatte den Verlust der Wirksamkeit der auf die FDP und die AfD zusammen entfallenden 15% der abgegebenen Stimmen zur Folge, weil beide Parteien die für den Einzug in den Bundestag erforderlichen Stimmen nicht erreichten. Dafür war auf Seiten der FDP die Abwanderung von Wählern zur AfD ursächlich. "Deutschland geht weiteren, bleiernen Jahren der CDU-Herrschaft entgegen" meinte die NZZ. Sie berichtete aber auch, dass die AfD in Sachsen 18.000 ehemalige NPD-Wähler und in Brandenburg 20.000 sowie in Thüringen 16.000 Links-Wähler abgeworben hat (8). Der Verlust der Wirksamkeit von Wählerstimmen ist durch Erfolge der AfD bei der Europa-Wahl und bei den Landtagswahlen von 2014 teilweise wettgemacht worden. Das auch inhaltlich dadurch, dass die etablierten Parteien nunmehr mit dem Verlust von Stimmen an die AfD bei künftigen Bundes- und Landtagswahlen rechnen und auf deren Kritik und Forderungen reagieren müssen. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Innerparteilicher Bruch und Richtungsänderung. Das Parteiprogamm vom März 2016.
Die Erfolge der AfD waren nicht allein ihren überzeugenden, auch entschieden vom Mainstream abweichenden Manifestationen zu verdanken. Sie beruhten auch auf teilweise von den Leitlinien abweichenden Parolen und Tendenzen, die als fremden- und einwanderungsfeindlich, anti-islamisch, rassistisch oder extrem nationalistisch oder als Ablehnung europäische Gemeinschaftseinrichtungen zu verstehen sind oder jedenfalls in Teilen des Publikums so verstanden werden. Sie waren von Exponenten der Partei vor allem in den Wahlkämpfen vertreten worden. So beschwerten sich 49 Mitglieder in einem Brief ("Weckruf") vom 11.5.2015 (http://bernd-lucke.de/weckruf-2015, aufgerufen am 4.7.2015) an die Parteimitglieder unter anderem darüber, dass drei Landesvorsitzende die Mitgliedschaft in der NPD verharmlost hätten. Diese Widersprüche gelangten auf einem tumultuösen Essener Paerteitag der AfD vom Juli 2015 zu einem Höhepunkt. Frauke Petry setzte sich mit 60% der Stimmen von ca 3.500 anwenden Parteimitgliedern gegen den Anspruch Luckes durch, die Partei allein zu führen: Das führte zum Austritt von mindestens 2.000 ihrer 22.000 Parteimitglieder (FAZ vom 11.7.2015), die sich als Anhänger konservativer, liberaler und sozialer Wertvorstellungen verstanden, unter Führung der sich als "Transatlantiker" bezeichnenden Bernd Lucke und Olfa Henkel von der Partei trennte (9). Des Einflusses dieser Gruppe entledigt, sind in den Bundesvorstand gewählt worden neben Frauke Petry (Sprecherin), Jörg Meuthen, Beatrix von Storch, Albrecht Glaser und Alexander Gauland (10).
Auf dem Bundesparteitag am 28.4./1.5.2016 beschlossen die Mitglieder der AfD ein neues Programm (11). Es enthält sowohl unveränderte Übernahmen als auch Konkretisierungen der Leitlinien und Wahlprogramme von 2014 und erhebliche Abweichungen von diesen. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die aktuelle Programmatik der AfD und ihre Würdigung.
Welche Politik von der AfD zu erwarten ist, lässt sich nicht allein ihren Programmen entnehmen. Die Programme protokollieren Kompromisse zwischen den in der Partei vertretenen Auffassungen und mittelbar Präferenzen für Persönlichkeiten mit besonderem Einfluss auf die Meinungsbildung. Sie sind schon als Kompromiss oft vage und unterschiedlicher Deutung zugänglich. Die unterschiedlichen Auffassungen, die sich zum programmatischen Kompromiss zusammengefunden haben, kommen zusätzlich in einzelnen laufenden Aktionen und Auftritten aus der Mitte der Partei nach Maßgabe des Gewichts der meinungsbildenden Persönlichkeiten zur Wirkung. Eine Identität stiftende Programmatik der Partei lässt sich nur in einer Zusammenschau der geschriebenen Programme und der einzelnen Manisfestationen und auch das nur in Umrissen erkennen und würdigen. Die Auseinandersetzungen zwischen den verbleibenden unterschiedlichen Auffassungen unter den führenden Persönlichkeiten und an der Basis der Partei gehen weiter und verändern laufend deren Programmatik und vor allem deren Wirksamkeit. Änderungen von Tatsachen und Überzeugungen können und müssen zu einer Änderung des Kreises und der Inhalte von Zielen führen. Es gibt keine Gewähr dafür, wieweit das Verhalten der Partei ihren programmatischen Aussagen entsprechen wird. Welche Politik von einer Partei schließlich zu erwarten ist, hängt maßgeblich von der Persönlichkeit ihrer Akteure ab. Wie ist ihr Wissen und Urteilsvermögen mit Bezug auf die konkret anstehenden politischen Probleme, wie ihre Fähigkeit zur Durchsetzung und Verwirklichung von Programmen, wie ihre Beständigkeit, Aufrichtigkeit und Vertrauenswürdigkeit zu beurteilen ? Wie verhält sich alles zu den Grenzen des Möglichen ? Schließlich ist nicht auszuschließen, dass Sprecher der Partei Überzeugungen und Ziele verschweigen oder über sie in die Irre führen. Jede Prognose der Wirksamkeit der Partei ist auf Einbeziehung dieser Veränderungen und Möglichkeiten angewiesen und beruht zum guten Teil auf letztlich nicht rein rationell begründbaren Einschätzungen. Die Einschätzung der Programmatik und die Prognose der Wirktsamkeit einer Partei hängt wiederum vom Wissen und von der Urteilskraft der Wähler ab. Deren Standard bestimmt unmittelbar die Funktion der Demokratie. Ihn zu erhöhen ist Obliegenheit nicht nur jedes Einzelnen sondern auch jeder demokratisch gesonnenen und darüber hinaus jeder dauerhaften Erfolg anstrebenden politischen Führungskraft nicht nur der AfD sondern jeder ihrer Konkurrenzparteien. Art und Maß ihres einschlägigen, über bloße Ablehnung hinausgehenden Bemühens ist Indiz für die von einer Partei zu erwartende Politik. Dabei dürfen die Augen nicht davor geschlossen werden, dass die politische Weisheit des Publikums weit hinter dem demokratischen Ideal zurückbleibt und auch bei höchsten Anstrengungen nur langsam vermehrt werden kann. Die Vermehrung ist Lebensbedingung jeder Demokratie. Wie weitgehend sie auch erfüllt werden kann, bedarf es jedenfalls eines möglichst dichten Geflechts von Führung, um Wissen, Urteilskraft und Energieeinsatz zu organisieren und Mangel zu kompensieren. Ob Organisation und Kompensation gelingt, hängt vom Vorhandensein und von der Akzeptanz und Durchsetzung optimal politisch gebildeter möglichst zahlreicher Führungspersönlichkeiten ab. Deren Anwerbung und Aufbau gehört zu den wichtigsten Aufgaben einer Partei und ihrer Miglieder. Im folgenden werden ausgewählte Themen der laufenden geschriebenen und ungeschriebenen Programmatik der AfD zusammengestellt, unter Bevorzugung solcher, die genügend deutlich eine womöglich realisierbare Politik beschreiben. Die Zusammenstellung versucht eine Ordnung der Programmpunkte nach der politischen Bedeutung ihrer Thematik (nicht nach dem Gewicht der Beiträge der AfD). Inhaltlich geht sie vom Parteiprogramm von 2016 aus und ergänzt seine Thesen durch andere Manifestationen der Partei, ihrer führenden Persönlichkeiten und Mitglieder. Bei einigen Themen schließen sich als Diskussionsanregung gemeinte Anmerkungen des Verfassers dieser homepage an. Übersicht.
| ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Erfolgsgeschichte seit 2015.
Die Erfolge der AfD setzen sich auch nach dem Revirement von 2015 und der Neuformulierung des Parteiprogramms im Jahre 2016 fort. Ergebnisse der Landtags- und Bürgerschaftswahlen 2015-2017. Es kursieren unterschiedliche Prozentangaben durch Bezug auf die Zahl der Wahlberechtigten oder der abgegebenen Stimmen (letzteres ist die Regel).
Gesamtwürdigung
|
Zwar enthält das mehr als 70 Seiten umfassenden Programm der AfD von 2016 politische Gemeinplätze und auch solche kritische Thesen, die zwar der Phantasie des Publikums Gelegenheit zur Entfaltung geben, aber keinen genügend konkreten Inhalt aufweisen, der Begründung entbehren und erst recht nicht mit einem praktikablen konstruktiven Alternativ-Vorschlag verbunden sind. Soweit sie bei bestimmter Auslegung zutreffen, steht die AfD oft mit pauschalen Forderungen nicht allein. Allerdings können Ideale dem Gemeinwohl erst nach Ausformung zu konkreten Vorschlägen dienen. Erst eine solche Ausformung kann der AfD gutgeschrieben werden. Solange es daran fehlt, beschränkt sich der Anspruch der Partei auf die Forderung, ihrer Führung mehr zu vertrauen als der bisher gewählten, während dafür kaum ausreichende Gründe ersichtlich sind. Je länger die fehlende Konkretisierung ihrer Kritik auf sich warten lässt, umso mehr ist Skepsis und Vorsicht gegenüber dem Führungsanspruch der AfD am Platze. Bedauerlicherweise enthält sich keine der in Deutschland etablierten Partei des Versuchs des Stimmenfangs durch "reine" Kritik und durch das Angebot von Personal-Alternativen, zumal solche Versuche auch wegen Fehlens einer ausreichend breiten und tiefen sowie konkreten öffentlichen politischen Diskussion nicht selten erfolgreich sind. Nicht an dieser ebenso verbreiteten wie schlechten Gewohnheit sondern an ihren konkreten Vorschlägen und an derjenigen Kritik, die anderwärts fehlt, muss eine Gesamtwürdigung der AfD ansetzen. An prominenter Stelle in der Programmatik der AfD stand um die Zeit ihrer Gründung ihr Eintreten für Transparenz, Wahrhaftigkeit, Verbindlichkeit, Verläßlichkeit und Verantwortlichkeit. Diese Bedingungen sind Grundvoraussetzungen für das Wohlergehen jeder Gemeinschaft. Ihre Vernachlässigung ist in allen Ebenen und Sektoren von Staat und Gesellschaft in Deutschland zu beobachten. Im politischen Raum tritt sie stark hervor sowohl in einer Aufweichung der Verbindlichkeit von Vereinbarungen und Gesetzen und auch des Verfassungsgesetzes als auch in einer Hypertrophie von Rechtsnormen, die wegen ihrer Unbestimmtheit den Namen nicht verdienen. Besonders deutlich ist die reduzierter Verbindlichkeit der Gewaltenteilung und einiger Grundrechte sowie internationaler Verträge. Die AfD trat 2013 an, diese Vernachlässigung umzukehren. Das verdient Beifall und Unterstützung. Bedauerlicherweise tritt das Thema in der Programmatik nach dem Stand von 2016 nicht mehr so stark in den Vordergrund. Die Partei wird gut daran tun, sich wieder auf sie zu besinnen. Wertvollste Beiträge der AfD sind in ihrer Kritik und in ihren Vorschlägen zur Migrationspolitik und zur Lage der Marktwirtschaft, in den Bereichen der Europapolitik , insbesondere der europäischen Transfer-, Rettungs- und Währungspolitik enthalten. Hervorzuheben ist die Forderung nach Verbindung von Handlung und Haftung. Denn nur Haftung ermöglicht Freiheit, und durch Haftung kontrollierte Freiheit erbringt bessere Resultate als Planungs- und Kommandowesen mit seiner Angewiesenheit auf Aufsicht, deren Haftung ihrerseits zumindest begrenzt ist. Der besondere Wert dieser Beiträge der AfD beruht vor allem auf der Vernachlässigung ihrer Thematik durch die übrigen Parteien. Auch das Fehlen oder die Aufgabe von Programmpunkten trägt zur Würdigung der AfD-Politik bei. Insofern ist nicht zu übersehen, dass in Abweichung von der eindeutigen Westbindung der Leitlinien von 2014 im Programm von 2016 eine Beschränkung der Wirksamkeit der NATO gefordert wird. Ferner fällt auf, dass sich das Programm mit innerer Gewalt und Gewaltpotentialen oder dem Verhältnis Deutschlands zu internationalen Konflikten und Interessen kaum beschäftigt. Besondeers schwerwiegende Bedenken gegen die Programmatik, wenn nicht Ablehnung der AfD überhaupt ergeben sich jedoch aus dem Zusammenwirken derjenigen Komponenten ihrer Manifestationen, die Anti-Islamismus, Rassismus oder exzessiven Nationalismus propagieren oder - sei es auch unbeabsichtigt - Vorschub leisten. Den Eindruck einer antiislamischen Grundhaltung (14) kann aus pauschalen Assoziationen dieser Religion mit Gewaltbereitschaft entstehen. Darüber hinaus haben Exponenten der AfD Unverträglichkeit muslimischer Religionsausübung (Bau von Moscheen, Müezzinruf, Schächten) geltend gemacht. Die in solchen Äußerungen zum Ausdruck kommende Furcht und pauschale Diskreditierung gießt Öl ins Feuer der weltweit agierenden gewalt- jihadistischen Kräfte, die "den Westen" und damit auch Deutschland ablehnen und gegen ihn Kriege mit verheerenden Folgen führen und auch nach Deutschland hineintragen. Die pauschale Stigmatisierung von oder Intoleranz gegenüber Angehörigen bestimmter Religionen oder Rassen begründen die Gefahr von zunächst womöglich "nur" gesellschaftlicher, später auch staatlicher Diffamierung, Diskriminierung und Verfolgung bis hin zum Massenmord, und diese provozieren Gegengewalt und auch gerade jene Bildung von Parallelgesellschaften, die die AfD mit Recht ablehnt. Europa und besonders Deutschland haben in den Religionskriegen des 16. und 17. Jahrhunderts und vor allem im dreißigjährigen Krieg (1618-1648) massenhaftes brutales Blutvergießen und flächendeckende Zerstörungen und Verheerungen erlitten und sie endlich nur dadurch überwunden, dass sich die Staaten im Westfälischen Frieden zu religiöser Toleranz und zum Schutz der Religionsausübung verbunden und verpflichtet haben. Historische Rassenkämpfe etwa in Nordamerika gegen Ende des 19. Jahrhunderts haben sich ähnlich zugetragen und sind ähnlich überwunden worden. Seit der das 18. Jahrhundert prägenden Bewegung der „Aufklärung “, die seit der „Französischen Revolution“ von 1789 zu grundlegenden Änderungen der europäischen Staatsverfassungen führte, gehört Religionsfreiheit zu den Grundlagen einer europäischen Friedensordnung. Wer sie aufweicht, öffnet auch dir Tür zur Bekämpfung anderer Religionen, insbesondere auch der christlichen Konfessionen. Die Verhinderung eines Rückschritts gegenüber der Errungenschaft der Religionsfreiheit und die Sicherung religiöser Toleranz muss angesichts besonders der gegenwärtigen jihadistsischen oder auch rassistischen und nationalistischen Friedensstörungen vorrangiges Ziel jeder zeitgenössischen Politik sein. Die Bewegung der "Aufklärung" genügte nicht, die mit Sklaverei und Kolonialismus verbundene Rassenverachtung oder -diskriminierung oder die im 20. Jahrhundert kulminierenden nationalistisch und/oder ideologisch basierten staatlichen Massenmorde und Kriege mit ihren Folgen zu verhindern, deren Ausmaß und verheerenden Wirkungen diejenigen der Religionskriege noch übertrafen. Ihre Überwindung setzte und setzt die Erkenntnis voraus, dass neben religiöser Toleranz auch der Ausschluss von Rassendiskriminierung und Nationalismus als aggressive Überhöhung nationaler Verwirklichung zum Schaden anderer Nationen zu den Bedingungen für Weltfrieden gehören. Auch Rückschritte gegenüber dieser Erkenntnis muss angesichts einschnlägiger gegenwärtiger Bedrohungen und Friedensstörungen vorrangiges Ziel jeder zeitgenössischen Politik sein. Die augenscheinliche Nähe der im Übrigen wohlgesonnenen AfD zu anti-islamischem, rassistischem und nationalistischem Gedankengut fordert dazu auf, an die fatalen Folgen historischer Verbindung idealistischen, humanitären, auf Gerechtigkeit und Frieden gerichteten Gedankenguts mit der Verfolgung verbrecherischer Ziele und Machtentfaltung zu erinnern. Sowohl der historische leninistisch-stalinistsische Bolschewismus und der maoistischen National-Marxismus als auch der in Deutschland jüngst erlittene Nationalsozialismus haben ihre staatsgetragener Massen-Vergewaltigungen und Massenmorde mit dringend benötigten Reformen und Wohltaten für ihre Länder verbunden und sogar der zeitgenössische Jihadismus verbindet seine Masasenmorde und Grausamkeiten mit dem Eintreten für eine (wenn auch missverstandene) Religion mit Fürsorge für die Bevölkerung. Diese Verbindungen machen eindringlich auf die besondere Gefährlichkeit und verführerische Wirkung einer Verbindung berechtigter mit unberechtigten aber populären Forderungen aufmerksam. Solange die AfD religiöser Toleranz oder dem Ausschluss von Rassendiskriminierung oder Nationalismus entgegenwirkt oder die Verfolgung dieser Ziele beeinträchtigt oder gefährdet oder behindert oder es auch nur an ihrer Unterstützung fehlen lässt, handelt es sich nicht um bloßen Protest gegen ein Verlangen nach "political correctness", sondern diese Wirksamkeit und dieser Mangel ist mit den Voraussetzungen für Frieden in Deutschland, Europa und der Welt unvereinbar. Zwar deutet das Ausscheiden der Unterzeichner des "Weckrufs" vom Mai 2015 darauf hin, dass der Umbruch eher zu größerer Toleranz der Partei für anti-islamistische, rassistsiche oder nationalistische Tendenzen führt. Es sind aber Anstrengungen der AfD festzustellen, diese Tendenzen auszuschalten. So hat das Vorstandsmitglied Jörg Meuthen den Ausschluss des Parteimitgliedes Wolfgang Gedeon wegen antisemitischer Äußerungen betrieben und seiner Forderung durch Distanzierung von der Baden-Württembergischen Landtagsfraktion der AfD ins Werk gesetzt. Die dadurch herbeigeführte Spaltung dieser Fraktion wurde allerdings im Herbst 2016 überwunden, während Meuthen Fraktionsvorsitzender blieb. Zwar eröffnete die AfD auch ein Parteiausschlussverfahren gegen Gedeon, das jedoh noch zu keinem Ergebnis geführt hat. Ob seine Äußerungen den Vorwurf antisemitischer Tendenzen in der AfD rechtfertigen, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Damit steht auch eine etwa erforderliche Korrektur der AfD aus. Gegen die im Saarland führend gewesenen AfD-Mitglieder Josef Dörr und Lutz Hecker laufen Partei-Ausschlussverfahren wegen Affinität zur NPD, während die aus demselben Anlass verfügte Auflösung des Landesverbandes Saarland der AfD durch das Partei-Schiedsgericht als unverhältnismäßig aufgehoben wurde. Ohne zweifelsfrei-glaubwürdige endgültige Distanzierung der Partei von Antisemitismus, Rassismus überhaupt, Religions-Intoleranz und Nationalismus (im Sinne einer Überbewertung und exzessiven, aggresiven Förderung der Nation) wiegt die Gefährdung des Friedens durch die Betätigung der AfD schwerer als alle Vorteile, die von ihr zu erwarten sind, und niemand, der die zitierten Errungenschaften der Toleranz und Zurückhaltung für unverzichtbar hält, kann die Partei mit gutem Gewissen wählen. Vielmehr sollte sich jedermann die Gefahr bewusst machen, die von religiös intoleranten, rassistischen und nationalistischen Strömungen ausgehen und ihnen innerhalb der AfD und allen anderen Parteien oder zumindest mit einer wesentlich erhöhten Wahlbeteiligung entgegentreten. Sollten die zur Zeit etablierten, den Staat führenden Kräfte die von der AfD angestrebten, für das Wohl Deutschlands unerlässlichen Reformen (Rückführung von Überschuldung, Transferexzessen und EU-Hybris, Förderung der Verteidigungsbereitschaft, Migrationskontrolle, Sicherung der sozialen Marktwirtschaft) nicht sofort sichtbar und zügig ins Werk setzen, wird die AfD weiter wachsen. Auch wenn sich die Partei als für verantwortungsvolle Demokraten unwählbar erweist, leistet sie dennoch dem Wohl Deutschlands einen Dienst, wenn sie allein oder mit besonderem Nachdruck politische Ziele vertritt, die für dieses Wohl unerlässlich sind. Sollte sie sich nicht von (aggressiven, diskriminierenden, exzessiven) nationalistischen sowie von rassistischen und antiislamischen Tendenzen befreien, wird sie Deutschland zugleich schädigen. Die Schädigung Deutschlands durch das Versäumnis einer für das Wohl Deutschlandsd unerlässlichen Politik und/oder durch die genannten Tendenzen würden die etablierten führenden Kräfte durch ihr Versagen und die Befürworter der erforderlichen Politik, die sich an Wahlen nicht beteiligen, durch ihr Versäumnis zu verantworten haben.
Aufdeckung von Mängeln der deutschen Demokratie.
|
Mit dem Applaus und dem Zulauf von Anhängerschaft, die die AfD genießt, kontrastiert die entschiedene Ablehnung ihrer Entfaltung durch andere politischer Akteure und Beobachter, vor allem aber eine verbreitete Entrüstung wegen eines von den Entrüsteten empfundenen "Rechsextremisms" der Partei oder jedenfalls wegen des Eindrucks religiöser Intoleranz einer rassistischen oder nationalistischen, sogar dem Nationalsozilismus nahestehenden Einstellung einiger ihrer Mitglieder und Funktionäre. Dezidiert, manchmal vehement verlautet solche Entrüstung auch von etablierten politischen und publizistischen Instanzen. Diffamierungen der Partei als "Zumutung" oder "Scham" oder "Schande für Deutschland" werden gelegentlich durch Ausdrücke der Abscheu noch übertroffen. Manchmal - allerdings umso weniger je größere Erfolge die Partei in Wahlen erzielt - wird sogar das Existenzrecht der Partei bestritten. Soweit es sich dabei, wie in der Person derjenigen ursprünglichen Gründungsmitglieder, die die Partei verlassen haben, um sachliche, begründete Meinungsverschiedenheiten handelt, bedarf es keiner Entrüstung sondern allein der sachlichen Diskussion und der Überzeugungskraft der konkurrierenden Auffassungen. (Allenfalls lässt sich diskutieren, ob die ausscheidenden Gründer das Handtuch zu früh geworfen haben, statt ausdauernder um die Ausrichtung der Partei zu kämpfen.) An einer sachlichen Reaktion der etablierten Parteien fehlt es jedoch weitgehend. Statt die bisher fehlende öffentliche ausführliche und überzeugende Begründung ihrer eigenen andersgerichteten Politik oder Unterlassung nachzuliefern und gegebenenfalls zu entwickeln, greifen Opponenten zur Diffamierung der AfD als "populistisch", als "radikal" oder als "Protestpartei" der "Unzufriedenen" . Es ist nicht förderlich, (wie es Markus Ackeret in "Die Zeit" vom 27.3.2016 für richtig hält) die AfD pauschal als "Zumutung" und ihren Protest als "geifernd" zu diffamieren oder zu verabscheuen, ohne ihm auf den Grund zu gehen und nachzuweisen, dass ihre Forderungen und der Protest unberechtigt sind. Die Inhaltsleere solcher Angriffe offenbart ein mangelhaftes Verständnis ihrer Autoren für Demokratie, wenn nicht das Fehlen einer überzeugenden Begründung für ihre eigene Politik oder für ihre Gegnerschaft zu derjenigen der AfD. Denn Volkstümlichkeit (Popularität) ist Urbedingung von Demokratie und auch anderer Legitimationen von Staatsgewalt, und hinter Radikalität zurückbleibende Behandlungen kranker Wurzeln verschlimmern die Krankheit. Protest und Unzufriedenheit sind einerseits Bedingung jeder freien, dialektischen Willensbildung und andererseits erinnern sie an die Notwendigkeit, die grundlegende Übereinstimmung in der Bevölkerung herzustellen, die Voraussetzung stabiler Staatlichkeit ist. Es ist nichts dagegen einzuwenden, was Volker Bouffier zum Anlass für eine Beschwerde gegen die AfD genommen hat: „Es gibt eben Leute, die leiden daran, dass die Welt so ist, wie sie ist“ (12). Das ist vielmehr sehr zu begrüßen. Eine lebendige positive oder negative Bewertung erhalten "Protest" und "Unzufriedenhei" erst, soweit sie mit einer Diskussion von Inhalten verbunden werden und Wahrhaftigkeit oder Täuschung, Gründlichkeit oder Übertreibung nicht nur unterstellen sondern nachweisen. Bleibt es aber bei der Unterstellung, ist der vorwurfsvolle Gebrauch der Ausdrücke "Populismus" und "Radikalität" demokratie- und wahrheitsfeindlich. Emotionale Gemeinplätze disqualifizieren sich und ihre Autoren als Elemente, die eine rationale odet demokratische Staatswillensbildung behindern oder zu verhindern suchen. Vielmehr geben vage und abwegige oder übertriebene sogar noch mehr als moderate politische Forderungen Anlaß, einen in ihnen enthaltenen berechtigten Kern zu ermitteln, sachlich zu analysieren und entweder Kritik zur Überzeugung auch ihrer Autoren zu widerlegen oder Abhilfe zu entwickeln, vorzuschlagen und zu realisieren. So kommt auch Ackeret in seinem oben zitierten Aufsatz zu dem Schluss, dass es die "beste Werbung für die Lebendigkeit der pluralistischen Staats- und Gesellschaftsordnung" wäre, wenn das System der Bundesrepublik die politische Arbeit der AfD respektiert, solange sie sich im Rahmen der Verfassung bewegt. Öffentliche politische Diskussionen und erst recht solche auf einem politischen Forum sind kein Kaffekränzchen, und auf ihren Stil dürfen nicht die für ein solches geltenden Maßstäbe angewendet werden. Es ist daher nicht nur unfair sondern vor allem kontraproduktiv, typische Ungenauigkeiten populärer Ausdrucksweise durch unbegründete Unterstellung möglicher Interpretationen auszunutzen. Charakteristisches Beispiel einer solchen Ausnutzung ist ein Vorgang im Stadtparlament von Frankfurt am Main, über den die FAZ vom 14.10.2016 berichtet hat. Danach wurde eine Gestik des AfD-Stadtverordneten Markus Fuchs, die eine Faschingsgewohnheit zitierte, von der Stadtverordneten Pearl Hahn ("Die Fraktion") als Hitlergruß gerügt, und die Äußerung des Präsidenten Ulrich Baier, dass, wenn es sich um den Hitlergruß gehandelt habe, dies zu rügen gewesen sei, zu einer lebhaften Auseinandersetzung führte. Am günstigsten sind noch stillschweigende Aufnahme von Anregungen oder Übernahme von Forderungen der AfD durch etablierte Parteien auch bei deren Deklaration als eigene Errungenschaften zu beurteilen, weil sie jedenfalls einem guten Zweck dienen. Insoweit erfüllt schon der bloße Auftritt der AfD einen Sinn und Zweck der deutschen Demokratischen Verfassung. Zu begrüßen sind daher maßgebliche Stimmen wie diejene des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, die eine Auseinandersetzung mit dem Gesamtphänomen AfD fordern und sich mit einem Teil der Forderungen der AfD sogar einverstanden erklären. Soweit sich Wähler der AfD anstatt von einem sachlichen Vergleich vorgeschlagener oder naheliegender Politiken von der Erfahrung leiten lassen, dass neue Besen besser kehren, entsteht daraus wenig Hoffnung auf tatsächliche Verbesserung. Das geht einmal darauf zurück, dass dadurch die inhaltliche Formung der Politik durch die sachbezogene Weisheit der Wähler versäumt wird, auf der die Vorzugswürdigkeit der Demokratie als Staatsform beruht. Insofern sind die Wähler selbst für einen Funktionsmangel des Demokratieprinzips verantwortlich. Zum anderen beruht die geringe Hoffnung darauf, dass es an genügend breiter und gründlicher Bekanntheit der Eigenschaften und Fähigkeiten einer genügend verbreiteten Zahl zur Führng berufener und dafür vorbereiteter Persönlichkeiten in Deutschland fehlt. Die Ursache liegt in der unzulänglichen Ausbildung des Faktors gesellschaftlicher und politischer Führung, auf die besonders einzugehen wäre. Allgemein ergibt eine Würdigung der Programmatik der AfD von 2016, dass ihre Bewertungen und Ziele, von den oben abgelehnten Urteilen und Forderungen und von einigen Übertreibungen und anderen Mängeln abgesehen, weitgehend vertretbar erscheinen, auch und zum Teil gerade soweit sie sich weit außerhalb gewohnter Denkweisen bewegen. Oft betrifft die Programmatik Probleme, für welche die deutsche politische Führung und die anderen Parteien keine befriedigende oder ausreichend begründete Lösungen bereit halten. Insoweit besteht jedenfalls ein Verdienst der AfD im Anstoß einer Befassung und Diskussion und im Angriff auf Tabus. Sie leistet damit, sogar soweit ihre Tendenz schließlich abzulehnen ist, und durch Entlarvung derjenigen, die dem nichts als Beschimpfung und Verdächtigungen entgegenzusetzen haben, einen unentbehrlichen Beitrag zur Funktion und Bewährung von Demokratie. Der Mangel einer Verbindung von Programmpunkten mit realistischen konkreten Lösungsvorschlägen betrifft nicht allein die AfD. sondern mehr oder weniger alle real existierenden Systeme parlamentarisch-demokratischer Willensbildung nicht nur in Deutschland sondern in ganz Europa und wohl sogar das System selbst. Allerdings schuldet der Programmierer konkrete Lösungsvorschläge und eine Darstellung der Vor- und Nachteile und von Alternativen. Je länger sie ausbleiben, umso unglaubwürdiger und belangloser wird das Programm. Der Mangel ist daher - leider - "normal". Auch findet kaum ein Wähler eine Partei, deren Mitglieder nur Auffassungen vertreten, mit denen er einverstanden sein kann. Es ist geradezu Sinn eines Parteienparlamentarismus, dass in einer Partei ein begrenzter Spielraum für unterschiedliche, sogar widersprüchliche Meinungen und ihre Träger offensteht. Eine Partei hat nicht nur Mehrheiten zu bilden, sondern muss vor allem durch Dialog die individuelle Willensbildung des Publikums verbessern. Ein Mitglied oder Wähler einer Partei muss darauf vertrauen, dass sich in ihr ein größerer Kreis seiner Ansichten durchsetzt als in anderen Parteien. Dieser Spielraum gewährt zugleich den notwendigen Raum für Wandlungen aus Anlass besserer Erkenntnisse oder einer Änderung der Verhältnisse. Er ist auch der AfD zuzugestehen. Wird er unter klarer Abgrenzung gegen Anti-Islamismus, Rassismus und exzessiven Nationalismus klug aus genutzt, können sich eines Tages auch Aussichten realisieren, die Jasper von Altenbockum der Partei schon Anfang 2015 attestiert hat (FAZ-net vom 16.1.2015: "Noch ist Lucke nicht am Ziel"): dass die CDU die Parei als möglichen Koalitionspartner entdeckt.
Anhang.
Auszug aus dem Parteiprogramm der AfD von 2016 die europäische
Transferpolitik betreffend.
|
"Nach inzwischen siebzehn Jahren der systembedingt erzwungenen, marktfernen Währungsregulierung ist die Gemeinschaftswährung ohne ständige massive Vermögenstransfers in solche EU-Staaten, die einer Währungsunion nicht gewachsen sind, nicht mehr überlebensfähig. Der gemeinsame EURO ist eine grundlegende Fehlkonstruktion. Die durch ihn hervorgerufenen Spannungen können schon seit Beginn der Target-Salden-Ausuferung 2008 und besonders seit Beginn der EURO-„Dauerrettung“ 2010 nur noch über interventionistische, rechtswidrige, permanente und weitgehend deutsche Kredithilfen und Haftungsübernahmen oder durch EZB-Käufe (EZB = Europäische Zentralbank) von im freien Markt nicht verkäuflichen Staatsanleihen aufrecht erhalten werden. Aber diese Hilfen mittels EFSF (Europäisches Finanzaufsichtssystem), ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus), OMT (Geldpolitische „Out right“-Geschäfte), Target und Bankenunion behandeln nur die Symptome und kaufen Zeit, anstatt die Ursachen für die struktur- und kostenbedingte mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und die nicht tragfähige Verschuldung vieler Mitgliedsstaaten zu beheben. Die Nehmerländer der „Rettungsaktivitäten“ werden durch viel zu niedrige Zinsen animiert, Kredite aufzunehmen, die sie in dieser Höhe von privaten Marktteilnehmern nie erhalten würden. Auf diese Weise wird die in den EU-Verträgen limitierte Schuldentragfähigkeit dieser Länder mit unabsehbaren Folgen überspannt. Die Transferzahlungen verstärken bereits aufgebaute ökonomische und politische Spannungen zwischen den Geber- und Nehmerstaaten, so dass die Kosten, den EURO-Raum zu erhalten, seinen Nutzen inzwischen weit übersteigen und die europäischen Integrationsmöglichkeiten überdehnen. Schon mittelfristig sind die politisch-realen und gegen den Willen der Mehrheit der Bürger erzwungenen Dauertransfers keinesfalls durchzuhalten. Die Kredit- und Haftungsbeträge sind auch für den Hauptgaranten Deutschland zu groß. Die suprastaatliche EURO-Rettungspolitik verletzt in der Praxis der Staatsanleihenmärkte permanent das Verbot der Staatsfinanzierung durch die EZB und das Verbot der Haftung für Schulden anderer Mitgliedstaaten (Art. 123 und 125 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäi schen Union)). Gemäß Artikel 110 Grundgesetz sowie nach geltender Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Lissabon-Urteil vom 30.06.2009) gehört die Hoheit über Staatsausgaben zum „Kernbestand und unveräußerlichen Teil der staatlichen Souveränität“. EU, EZB und ESM greifen mit ihrer Rettungspolitik unzulässig in diese Souveränitätsrechte ein. Diese Politik bricht zudem alle den Wählern seit den 1990er-Jahren politisch und vertraglich gegebenen Versprechen, „niemals eine Haftung Deutschlands für Fremdschulden“ zuzulassen. Damit sind die wesentlichen Grundlagen der ursprünglichen deutschen Zustimmung zum Maastricht-Vertrag und zur EURO-Einführung entfallen. Die EU-Politik, Hilfe an Bedingungen zu knüpfen, ist unglaubwürdig, weil es keinen Sanktionsmechanismus für ein Missachten der Auflagen gibt. Da die EURO-Zone den Fall einer Staatsinsolvenz nicht vorsieht, werden heute Kredite selbst dann nicht verweigert, wenn Auflagen für die Kreditvergabe nicht erfüllt sind. Damit sind die Geberländer immer erpressbar – ein gravierender Konstruktionsfehler der EU-Vertragspolitik."
Anhang.
Zum Rassismus-Vorwurf gegen einen Vortrag über den
afrikanischen Geburtenüberschuss von Björn Höcke
|
Felix M. Steiner zitiert in "Cicero" unter dem 29.6.2016 (http://www.cicero.de/berliner-republik/afd-und-identitaere-die-stunde-der-neuen-rechten) einen offenen Brief zahlreicher Mitglieder des Landesverbandes Sachsen-Anhalt der AfD, in dem vor einem Einsickern von Rechtsextremisten in die AfD mit der Aussage gewarnt wird, „man wolle keine „Verschmelzung mit Organisationen, die als Auffangbecken für Extremisten fungieren“ und auch kein „Auffangbecken für ehemalige Netzwerke der NPD“ sein (Quelle nicht angegeben). Steiner nennt diesen Widerstand „oberflächlich“ und die damit verbundene Auseinandersetzung „mehr als nur halbherzig“ und „Fassade“. Zur Begründung beruft er sich auf Verbindungen von AfD-Mitgliedern mit rechtsgerichteten Kreisen (dem sachsen-anhaltinischen Rittergutsbesitzer Götz Kubitschek und der „Neuen Rechten“) und insbesondere auf einen Vortrag, den der Landesvorsitzende der AfD in Thüringen, Björn Höcke, bei einer Veranstaltung des von der "Neuen Rechten" unterhaltenen „Instituts für Staatswissenschaft“ gehalten hat. Steiner behauptet, der Vortrag sei als rassistisch erwiesen. Die erwähnten Kontakte reichen zur Begründung einer Übereinstimmung nicht aus, schon weil sie gerade auch der Auseinandersetzung gedient haben können. Für die Bewertung der Rede Höckes als rassistisch beruft sich Steiner auf die homepage von Werner J. Patzelt, dem Gründungsprofessor des Instituts für Politikwissenschaft an der TU Dresden (http://wjpatzelt.de/?p=731 ). Diese homepage zitiert aus dem Vortrag Höckes folgende Passage: „Der Bevölkerungsüberschuss Afrikas beträgt etwa 30 Mio. Menschen im Jahr. Solange wir bereit sind, diesen Bevölkerungsüberschuss aufzunehmen, wird sich am Reproduktionsverhalten der Afrikaner nichts ändern. Die Länder Afrikas: Sie brauchen die deutsche Grenze; um zu einer ökologisch nachhaltigen Bevölkerungspolitik zu finden. Und die Länder Europas brauchen sie gegenüber Afrika und dem arabischen Raum umso dringender, weil Europa – phylogenetisch vollständig nachvollziehbar – eine eigene Reproduktionsstrategie verfolgt. In Afrika herrscht nämlich die sogenannte r-Strategie vor, die auf eine möglichst hohe Wachstumsrate abzielt; dort dominiert der sogenannte Ausbreitungstyp. Und in Europa verfolgt man überwiegend die K-Strategie, die die Kapazität des Lebensraumes optimal ausnutzen möchte. Hier lebt der Platzhaltertyp. Die Evolution hat Afrika und Europa – vereinfacht gesagt – zwei unterschiedliche Reproduktionsstrategien beschert. Sehr gut nachvollziehbar für jeden Biologen. Das Auseinanderfallen der afrikanischen und europäischen Geburtenraten wird gegenwärtig natürlich noch durch den dekadenten Zeitgeist verstärkt, der Europa fest im Griff hat. Kurz: Im 21. Jahrhundert trifft der lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp auf den selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp. Und diese Erkenntnis – wenn diese Erkenntnis von irgendeinem der Altparteien-Politiker jemals gewonnen worden ist, was ich wage zu bezweifeln – diese Erkenntnis, die ruft nach einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Asyl- und Einwanderungspolitik Deutschlands und Europas, liebe Freunde. Grenzen haben eine ordnende Funktion. Ohne Grenze keine Form …“ Patzelt vertritt dazu die Auffassung, die Aussagen Höckes „Es hat 'die Evolution Afrika und Europa … zwei unterschiedliche Reproduktionsstrategien beschert‘“ und "Es herrscht in Afrika die r-Strategie vor, während man in Europa überwiegend die K-Strategie verfolgt“ sowie „Im 21. Jahrhundert trifft der … afrikanische Ausbreitungstyp auf den … europäischen Platzhaltertyp“ seien rassistisch. Die Bedeutung dieser Beurteilung erschließt sich erst aus dem von Patzelt verwendeten Begriff des Rassismus. Zu diesem Begriff führt Patzelt am angegebenen Ort aus: Der Begriff des Rassismus werde "in einer engen und in einer weiten Fassung verwendet. In seiner engen Fassung meint Rassismus, dass Menschen genetisch so unterschiedlich wären, dass es sinnvoll sei, von unterschiedlichen „Menschenrassen“ zu sprechen. Deren Unterscheidungsmerkmal wären weniger phänotypische Merkmale wie Haar- und Augenfarbe, obwohl auch diese mit 'grundsätzlichen biologischen Unterschieden' einhergehen könnten. Vor allem erkenne man 'unterschiedliche Menschenrassen' an Merkmalen wie der Hautfarbe oder Schädelform. Verbunden wird mit solchermaßen 'erkannten Menschenrassen' nicht selten die Vorstellung, derlei Abstammungsgruppen wären nach ihrer 'angeborenen Kultur' nicht nur (womöglich) unterschiedlich, sondern (vermutlich) auch unterschiedlich wertvoll. Auf diese Weise wird bei der Einschätzung von einzelnen Menschen weniger wichtig, wer sie konkret sind und wofür sie tatsächlich stehen, sondern vor allem, welche genetischen bedingten Merkmale sie tragen, und ob sie aufgrund ihrer genetischen Ausstattung wohl mehr oder weniger viel wert wären. Der Kurzbegriff für diese enge Fassung von Rassismus ist 'biologischer Rassismus'. In seiner weiten Fassung meint Rassismus, dass Menschengruppen nicht einfach nur kulturell unterschiedlich wären, sondern dass deren jeweilige Kultur ein – der genetischen Ausstattung ähnlich – recht unveränderbares Kollektivmerkmal sei. Verbunden wird auch mit einer solchen kulturellen Abgrenzung von Menschengruppen in der Regel die Vorstellung, derlei Unterschiede erwiesen sie nicht nur als eben verschieden, sondern obendrein als unterschiedlich wertvoll." Nun bezieht sich die auch vom Verfasser dieser Homepage geteilte Bewertung von Rassismus als verwerflich und friedensfeindlich auf eine diskriminierende Bedeutung des Begriffs "Rassismus", wonach Menschen allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse unterschiedlich wertvoll sind. Eine solche Bedeutung gehört jedoch nicht zu dem von Patzelt verwendeten Rassimus-Begriff. Dieser Begriff umfasst vielmehr in seiner engeren Bedeutung die Vorstellung, "Abstammungsgruppen seien (vermutlich) auch unterschiedlich wertvoll, so dass bei der Einschätzung von einzelnen Menschen wichtig werde, ob sie aufgrund ihrer genetischen Ausstattung wohl mehr oder weniger viel wert wären" nur in "nicht seltenen" Anwendungsfällen. Und auch in der weiteren Bedeutung gehört zu dem von Patzelt zugrunde gelegten Rassismusbegriff die Vorstellung, dass rassische Unterschiede Menschen als unterschiedlich wertvoll erweisen, nur "in der Regel". Nun bemüht sich Patzelt nicht einmal darzulegen, dass die Äußerungen Höckes zu jenen "nicht seltenen" oder "regelmäßigen" Anwendungsfällen gehören, in denen Rassenzugehörigekeit mit einer Bewertung verbunden wird, und dergleichen ist auch in den zitierten Texten für sich gesehen und auch in ihrem Zusammenhanhang nicht zu erkennen. Es mag sein, dass Höcke, gemessen an der von Patzelt vertretenen Lehre, Rassentheorien falsch verstanden oder falsch angewendet hat. Vielleicht kann man darin, dass Höcke von Fortpflanzungs-"Strategien" gesprochen hat, die Andeutung eines Vorwurfs sehen. Seiner Entdeckung eines „selbstverneinenden" europäischen "Platzhaltertyps" als Gegenteil eines "lebensbejahenden" afrikanischen "Ausbreitungstyps" kann man nicht folgen. Als Rassisten kennzeichnet ihn seine Überzeugung von dieser Entdeckung aber nicht. Andererseits ist die Tatsache des afrikanischen Geburtenüberschusses unbestritten und die Folgerung eines Immigrationsdrucks plausibel sowie eine Warnung davor durchaus am Platze. Von einem Nachweis, dass die zitierten Aussagen Höckes im Sinne einer Diskriminierung oder Abwertung rassistisch sind, kann jedoch nicht die Rede sein. Infolgedessen trifft auch die Bewertung der Aussagen Höckes als rassistisch durch Steiner nicht zu. Damit erweist sich schlielich die Bewertung der Distanzierung des von Steiner zitierten offenen Briefs der AfD als oberflächlich, halbherzig oder bloße Fassade als unbegründet. Fußnoten:
|
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Alternative_f%C3%BCr_Deutschland - abgerufen am 18.6.2016. (2) https://de.wikipedia.org/wiki/Bernd_Lucke - abgerufen am 11.6.2016. (3) Vgl. http://www.buendnis-buergerwille.de/index.php?id=190 - abgerufen am 11.6.2016. (4) Philip Plickert in der FAZ vom 13.3.2013. (5) Siehe das Wahlprogramm der AfD vom 22.3.2013 - https://web.archive.org/web/20140324221948/https://www.alternativefuer.de/wp-content/uploads/2014/03/Europaprogramm-der-AfD.pdf und das Europa-Wahlprogramm der AfD vom 14.4.2013 https://web.archive.org/web/20140421001248/https://www.alternativefuer.de/pdf/Wahlprogramm-AFD.pdf - beide abgerufen am 2016 06 15. (6) https://www.alternativefuer.de/wp-content/uploads/sites/7/2016/01/AfD_Leitlinien_2015_DE.pdf - abgerufen am 6.6.2016. Die Partei soll zu dieser Zeit nach Justus Bender (FAZ vom 25.4.2014) 8.500 Mitglieder gehabt haben. Zur Erscheinung der Partei nach dem Stand von März 2014 (in englischer Sprache) vgl. Marcel Lewandowsky, "Alternative für Deutschland (AfD), A New Actor in the German Party System" (http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/10644.pdf - aufgerufen am 31.10.2016). (7) Den 2013 und 2014 erlebten Absturz der FDP kennzeichnen folgende Zahlen: Von 258 Mandatsträgern und einer Regierungsbeteiligung in 7 Ländern Ende 2009 verfügte die FDP im Herbst 2014 noch über 64 Mandatsträger - sämtlich ohne Regierungsamt. (8) Ulrich Schmid in der NZZ vom 19.9.2014. (9) Zur Vorgesschichte der Abspaltung Justus Bendeer in der FAZ vom 25.4.2014 und Joachim Riecker in der NZZ vom 7.1.2015. Zur Würdigung der AfD von 2015 siehe auch die Glosse "Alternative für Deutschland (AfD) - Analyse eines Fehlstarts" und "Alternative für Deutschland ? - eine schwindende Hoffnung". (10) https://www.alternativefuer.de/partei/bundesvorstand/ - abgerufen am 22.6.2016 . (11) https://www.alternativefuer.de/wp-content/uploads/sites/7/2016/05/2016-06-27_afd-grundsatzprogramm_web-version.pdf - abgerufen am 6.6.2016. (12) Der Spiegel 2014, Heft 37 S. 31; FAZ 8.9.2014 S. 6. (13) Siehe Hans-Werner Sinn, Der Schwarze Juni: Brexit, Flüchtlingswelle, Euro-Desaster - Wie die Neugründung Europas gelingt. 2016. (14) Unter Antiislamismus und Antisemitismus wird hier eine Einstellung oder Ausdrucksweise verstanden, die im Unterschied zu sachlicher Religionskritik eine negative Bewertung von Personen, Eigenschaften oder Verhaltensweisen wegen ihrer Assoziation mit der mohammedanischen oder jüdischen Religion oder dem jüdischen Volkstum nahelegt. |