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"Populismus"

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von Dr. Christian Heinze vom 1.12.2018
(vollständige Überarbeitung der Fassungen vom 18.9., 24./25.11.2017, 24.4. und 1.12.2018)



Volksnähe ist eine notwendige Art und Form des politischen und insbesondere des demokratischen Diskurses, weil sie die inhaltsvolle (aktive sowohl als passive) Beteiligung breiter Bevölkerungskreise an der Kommunikation überhaupt erst ermöglicht. Sie sagt nichts aus über Wahrheit oder Irrtum, Nutzen oder Schaden einer Botschaft oder über ihren Autor. Dennoch ist es gegenwärtig Mode, Mitteilungen als "Populismus" oder "populistisch", ihre Autoren als "Populisten" zu bezeichnen, um sie ohne Auseinandersetzung mit Sachfragen pauschal als fehlerhaft oder irreführend oder als "politisch inkorrekt" oder schlimmeres zu diffamieren. Wer die Ausdrücke so gebraucht, versäumt und blockiert die Ermittlung relevanter Tatsachen und die Analyse und Bewertung diskussionsbedürftiger Gegenstände und verfehlt damit die Voraussetzungen für Problemlösungen. Er gerät außerdem in Verdacht, selbst irreführen oder verschleiern zu wollen. Ein solcher Begriffsmissbrauch sollte daher aus der Diskussion verschwinden und durch öffentliche, breite, sachliche und gründliche Erörterung von Problemlösungen ersetzt werden.



Andreas Voßkuhle zum Thema Populismus

.

In der FAZ vom 23.11.2017 hat Professor Andreas Voßkuhle, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zum Thema „Demokratie und Populismus“ Stellung genommen. Zu der wichtigsten Frage im Themenkreis, wie mit „Populismus“ umzugehen sei, kommt er zu ähnlichen Ergebnissen wie der nachstehende Beitrag: Jedenfalls muss mit einzelnen politischen Forderungen gerade auf heiklen Politikfeldern eine beständige argumentative Auseinandersetzung stattfinden (unten Abschnitt 3.4), konkrete Handlungsoptionen sind aufzuzeigen (ebenda: Mittel und Wege), schon weil Etablierte, die das verweigern, ihrerseits Alleinvertretung beanspruchen (sich selbst als „Populisten“ gerieren - siehe vorstehenden Vorspann), und weil die Verweigerung Zuspruch für „Populisten“ eher steigert (Abschn. 3.3, dritter Absatz). Leidenschaftliche Rhetorik und Zuspitzung sind in Ordnung, schrille Töne, persönliche Angriffe, Herablassung und Berufung auf Tabubrüche sind ebenso fehl am Platz wie „Soziologische Großdeutungen“ und "Kollektive Pathologisierung". Der größere Teil des Artikels bemüht sich darüber hinaus, „Populismus“ als politisches Kampfwort gegen antidemokratische, zynisch verschleierte Totalitarismus-Strategien zu etablieren. Ist das aber mit den praktischen Schlussfolgerungen des Artikels vereinbar ? Und kann damit solchen Strategien überhaupt entgegengewirkt werden ? Dazu verhält sich der Anhang am Ende des vorliegenden Webbeitrags.



Übersicht.

1 Volksnahe Kommunikationsform.
  1.1 Gegenstände allgemeinen Interesses.
  1.2 Inhalt populistischer Botschaften.
  1.3 Autoren und Adressaten populistischer Botschaften.
  1.4 Ausdrucksmittel und Verständnisweise.
  1.5 Volksnähe.
    1.5.1 Allgemeinverständlichkeit.
    1.5.2 Gefälligkeit.
2 Qualität volksnaher Kommunikation.
  2.1 Übermittlung von Inhalten, Unbestimmtheit.
  2.2 Qualität von Inhalten.
  2.3 Motivationskraft.
  2.4 Ergebnis.
3 Die Populismus-Keule.
  3.1 Politische Notwendigkeit von Populismus.
  3.2 Irrtum und Missbrauch des Populismus.
  3.3 Widersinnigkeit der Diffamierung von Populismus.
  3.4 Problem-Bewältigung durch sachliche Diskussion.
4 Rückkehr zur Wortbedeutung.

1 Volksnahe Kommunikationsform

. "Populismus" oder "populistisch" ist eine (nach dem Wortsinn von "populus" - lateinisch: Volk) durch Volksnähe gekennzeichnete Art der Ausdrucks- sowie Empfangs- und Verständnisweise von Botschaften allgemeinen Interesses.

1.1 Gegenstände allgemeinen Interesses

. Das Allgemeine Interesse gilt der Infrastruktur der individuellen und gemeinschaftlichen Entfaltung der Menschen und in den Industriegesellschaften insbesondere der Organisation und Entfaltung des Staates, und zwar mit Bezug auf den Besitz, die Vermehrung und Verteilung materieller und immaterieller, diesseitiger und transzendenter Güter aller Art (der Teilhabe an ihnen). Das Interesse richtet sich auf alle möglichen Freiheiten und ihre Grenzen. Es betrifft den Schutz der Menschen, ihres Besitzes und ihrer Freiheiten gegen Gewalten der Natur, zu der auch die (anderen) Menschen gehören, ebenso wie die Vermehrung und Verteilung von Besitz und Macht und die Beschränkung von Freiheiten. Dabei betrifft das allgemeine Interesse insbesondere die Mittel und Wege (Organisation, Planung, Verhaltensweisen, Beiträge) zur Schaffung, Veränderung oder Abschaffung von Verhältnissen.

1.2 Inhalt populistischer Botschaften.

Die populistische Botschaft, auch selbst als "Populismus" bezeichnet, enthält typischerweise Bewertungen oder bewertende Darstellungen von Gegenständen, auch Personen, insbesondere des Autors selbst und seiner Gegner, sowie von Verhältnissen und Verhaltensweisen meist politischen, aber auch kulturellen oder zivilisatorischen Interesses. Sie betrifft oft Pläne, Vorschläge und Versprechen mit Bezug auf solche Gegenstände.

1.3 Autoren und Adressaten populistischer Botschaften.

Die populistische Botschaft geht von einem Autor oder mehreren Autoren (Person, Gruppe oder Institution), aber auch von ganzen Bevölkerungen aus und ist an eine oder mehrere Personen bis hin zu ganzen Bevölkerungen als Adressaten gerichtet, und sie wird von diesen wahrgenommen und oft erwidert. Auch die Bemühung oder Fähigkeit, Botschaften der Bevölkerung aufzunehmen und zu verstehen, ist Populismus. Wer sich der volksnahen Ausdrucks- und Verständnisweise, sei es im Einzelfall, vor allem aber dauerhaft und häufig bedient, ist "Populist".

1.4 Ausdrucksmittel und Verständnisweise.

Die populistische Botschaft kann auf jede einen Sinn vermittelnde Weise, meist durch gesprochene oder geschriebene Sprache oder Zeichen, durch Haltung, Gestik oder Verhalten, durch Bilder oder Laute vermittelt werden. Eine besondere, Volksnähe ausdrückende Modalität betrifft die Unmittelbarkeit und Häufigkeit der persönlichen Nähe (im Unterschied zu zeitlicher oder räumlicher persönlicher Distanz und medialer Vermittlung). Als Ausdrucksmittel und Vereständnisweise kommt die gesamte, durch Beschaffenheit (Charakter), Fähigkeiten (Kraft, Energie, Ausbildung), Herkunft (aus der Mitte des Volks oder aus Prominenz jeder Art und Ursache), durch persönliche Verhältnisse (die schöne Ehefrau oder wichtige Bekanntschaften, das Vermögen im weitesten Sinne) oder Lebensführung (Erlebnis, Leistung, Beliebtheit) oder durch den Anschein derselben hervorgerufene Ausstrahlung des Autors und des Adressaten in Betracht. Die Persönlichkeit kann selbst zur Botschaft werden (zB im Zuge der Inanspruchnahme von Führung).

1.5 Merkmale der Volksnähe.

Als Merkmal der Volksnähe einer populistischen Botschaft kommen Arten, Formen oder Inhalte in Betracht.

1.5.1 Allgemeinverständlichkeit.

Volksnah ist eine Botschaft, die durch die Art und Form ihrer Ausdrucksweise von einem großen Publikum bis hin zur gesamten Bevölkerung leicht verstanden wird. Allgemeinverständlich ist eine Botschaft, die ihre Inhalte unterschiedlichen und vor allem auch weniger oder weniger differenziert denk-, kommunikations- und insbesondere sprachgeübten, gebildeten und erfahrenen, emotional oder sinnlich empfindenden Adressaten oder Adressatengruppen bis hin zu Bevölkerungskreisen und ganzen Bevölkerungen mit möglichst ähnlichem Ergebnis zu verstehen gibt und verstanden wird. Danach hängt, was Populismus ist, von der allgemein üblichen Ausdrucks- und Verstehensweise und den allgemein üblichen Bewertungen von Botschaften durch das Publikum, insbesondere durch die Allgemeinheit der Gruppe oder Bevölkerung ab, innerhalb deren der Diskurs stattfindet.

Dazu muss sich volksnahe Ausdrucksweise einfacher Ausdrucksmittel und insbesondere einfacher Begriffe und Satzbauten bedienen, und sie muss sich der - auch unterdurchschnittlich differenzierten - dem gesamten jeweiligen Publikum gemeinsam geläufigen (üblichen) Verständigungs- und Empfindungsweise und insbesondere Umgangssprache anpassen und bedienen.

Bestimmte Ausdrucksformen, die vielen Menschen erfahrungsgemäß besser gefallen als andere (Musikalität, Bildhaftigkeit, Emotionalität, Humor, Amblick und Haltung des Autors oder Vermittlers, Volkstümlichkeit), können auch der Verständlichkeit besser dienen als andere. Auch derartige formelle Gefälligkeit ist kann daher als Merkmal von Popularität gelten.

1.5.2 Inhaltliche Gefälligkeit.

Als volksnah gelten Botschaften auch deshalb, weil sie "populär" sind, indem sie nach ihrem Inhalt gefallen und im Publikum auf einhellige oder breite Akzeptanz treffen. Das sind beispielsweise Botschaften, die Erfüllung allgemeiner, von jedermann geteilten oder akzeptierten Interessen (siehe zu 1.1) verheißen.

2 Qualität volksnaher Kommunikation

. Kommunikation kann nach ihrer Eignung für ihren nächstliegenden Zweck möglichst vollständiger Übermittlung von Inhalten oder auf Grund Bewertung ihrer Inhalte sowie nach ihrer Eignung zur Motivation des Adressaten zu einem Verhalten (Tun, Dulden, Unterlassen) qualitativ unterschieden werden.

2.1 Übermittlung von Inhalten, Unbestimmtheit.

In dem Maße, in dem Allgemeinverständlichkeit durch Vereinfachung oder Gefälligkeit der Ausdrucksweise erreicht wird, verliert sie regelmäßig an Klarheit, Genauigkeit und inhaltlicher Aussagekraft und damit an Informationsgehalt. Zwar kommt es vor, dass volksnahe Ausdrucksweise konkrete Inhalte besser vermittelt als ganze Bibliotheken. In aller Regel ist aber der Grad der Mehrdeutigkeit umso höher, je kürzer (je weniger ausführlich) und je weniger differenziert eine Botschaft ist. Er ist auch umso höher, je unterschiedlicher die Ausdrucks- oder Verständnisweise des Publikums oder der Autoren ist. Soll die Allgemeinheit erreicht werden, ist der Grad der Einfachheit ferner davon abhängig, wie viel (wie wenig) Zeit und Energie das Publikum auf die Kenntnisnahme und das Verständnis voraussichtlich verwenden wird. Nicht selten steht der Grad der Vereinfachung und Mehrdeutigkeit im umgekehrten Verhältnis zur Wichtigkeit einer Botschaft, die mit höherer Komplexität der ihren Gegenstand bildenden Probleme und mit größerer Vielfalt der Voraussetzungen, Alternativen und Folgen der Nebenfolgen ihrer Bewältigung verbunden ist.

In der politischen Diskussion sind die mehrdeutigen und irreführenden Ausdrucksweisen, deren sie sich zu bedienen pflegt, Legion. Beliebt sind die Namen von Ideologien wie "(Neo-)Liberalismus", "Nationalismus", "Rechts-" und "Linksradikalismus oder -Populismus", bei deren Gebrauch regelmäßig so getan wird, als hätten sie einen klaren politisch relevanten Inhalt, während sie in Wirklichkeit unterschiedliche, sogar gegensätzliche Auslegungen zulassen. Für die einen sind bestimmte Inhalte von Ideologien ein Ideal, für andere das Übel schlechthin. Grundmuster für Unbestimmtheit sind Ausdrücke wie "Gerechtigkeit" und "Gemeinwohl", auch "Freiheit". Ihre denkbaren Inhalte sind so vielfältig, dass die damit vom Publikum verbundenen Vorstellungen im einzelnen Anwendungsfall miteinander meist kollidieren oder sich widersprechen. Ein weiteres Beispiel ist der Terminus "(un) sozial", der dem Wortsinn nach soviel wie "auf die Gesellschaft" oder "das Gemeinwohl bezogen" bedeutet, aber im Lauf der Zeit dem Bereich der Güterverteilung zugewiesen worden ist. Dort wird der Ausdruck mit den unterschiedlichsten, gegensätzlichen Vorstellungen über die Gerechtigkeit der Produktions-, Verteilungs- und Umverteilungsvorgänge oder -Ergebnisse von Gütern und Leistungen assoziiert. Als "sozial" wird von den einen regelmäßig erzwungenes, von anderen grundsätzlich freiwilliges Geben und Nehmen von Gütern oder Leistungen angesehen. Dabei wird typischerweise übersehen, dass es jenseits von "Leistungen" der Natur und von Menschen kein Geben ohne Nehmen geben kann, und manchmal wird "Geben" und "Nehmen" sogar vertauscht oder verwechselt. Ähnlich verhält es sich mit Ausdrücken wie "Menschenrechte" oder ("europäische" oder "deutsche") "Werte". Denn als Menschenrechte werden sowohl subjektive Rechte, deren Durchsetzung ihrem Träger staatlich garantiert wird, als auch "Rechte" verstanden, die zwar als normiert gelten, aber nicht oder nicht einmal in der Regel durchgesetzt werden können, sowie schließlich solche, die in bloßen Forderungen oder Erfüllungsaussichten bestehen. Dabei ist der Inhalt des einzelnen "Rechts" in allen drei Kategorien meist umstritten. Auch was "Werte" sind und vor allem welchen Inhalt sie haben, ist höchst umstritten, und selbst dort, wo sie mit einer Staatsverfassung identifiziert werden, sind sie inhaltlich so ungewiss wie die Anwendung und Auslegung der Verfassungen es selbst sind. Die Liste in der Praxis beliebter Ausdrücke und Klauseln mit unbestimmten Inhalte kann verlängert werden. Formeln wie "yes we can", "mit dem Euro fällt Europa", "die Renten sind sicher", "mehr Demokratie" klingen dem Publikum in den Ohren. Viele unbestimmte Ausdrücke prägen die unter Politikern beliebten Umverteilungsversprechen, die manchmal einfach das Blaue vom Himmel zusagen und es meist sorgfältig vermeiden, die vielfältigen Voraussetzungen, Implikationen und Folgen der Umverteiulung erkennbar werden zu lassen.

Manchmal werden die vieldeutigen Ausdrücke in einem Kontext verwendet, der die Vielfalt ihrer möglichen Bedeutungen zwar verringert, aber meist nicht aufhebt. Andererseits kann die Mehrdeutigkeit einen Grad erreichen, bei dem die Botschaft alles oder nichts bedeuten kann. Dann ist sie inhaltsleer, aber nicht volksnah.

Im demokratischen Wahlwettbewerb betrifft eine Botschaft insbesondere Qualitäten (Gesinnung, Zuverlässigkeit, Fähigkeiten) ihres Autors; der Autor wird selbst zur Botschaft . Dann sind Einzelheiten von hohem Interesse, gerade auch soweit die Bewertung oder Darstellung der Person nicht mit konkreten Zielen, Mitteln und Wegen verbunden sondern auf Schlüsse aus solchen Eigenschaften auf die Zwecke und Ziele angewiesen ist, die von der Person zu erwarten sind. Denn dann bleibt die Bestimmung der Ziele und/oder Mittel oder Wege dieser Person überlassen, die sie auch unterlassen oder unvollständig oder unterschiedlich (gegensätzlich) durchführen kann mit der Folge, dass die vollständige Bedeutung der Botschaft leicht verkannt und insbesondere irrig mit der Meinung des Adressaten verwechselt werden kann. Inhaltsarmut der Personenbotschaft kann leicht erreicht sein, etwa wenn sich eine Person mit der Botschaft etwa des Inhalts zur Wahl stellt: "Ich bin die zur Führung am besten geeignete Person und werde alles besser machen als andere", ohne dass diese Person und Botschaft mit inhaltsvollen Leistungen, die dem Anspruch entsprechen, oder mit Eigenschaften verbunden werden kann, die solche Leistungen mit einiger Wahrscheinlichkeit erwarten lassen. (Vgl. die in dieser homepage enthaltene Glosse zur Nominierung von Martin Schulz als Kanzlerkandidat der SPD.)

Soweit eine politische Botschaft (wie in der Regel) ein künftiges Verhalten oder einen Plan, etwa Maßnahmen des Autors oder Anderer, insbesondere im Fall ihrer Wahl in ein Amt, beschreibt und bewertet (verspricht oder geißelt), ist das Interesse der Allgemeinheit neben dem Zweck und Ziel vor allem darauf gerichtet, ob, durch wen und wie, mit welchen Mitteln sie erreichbar und welche Nebenwirkungen ihrer Verfolgung zu erwarten sind. Aussagen zu diesen Fragen sind durch die Unbestimmtheit der Zukunft notwendig selbst zu Unbestimmtheit verurteilt.

Die oben angesprochen oder zitierten mehrdeutigen oder inhaltsarmen Ausdrücke haben durchaus einen sinnvollen Platz im politischen Diskurs, indem sie wichtige Fragestellungen enthalten. Sie bieten jedoch keine zielführenden Antworten. Durch sie bestimmte populistische Botschaften zur Analyse oder Bewältigung politischer Probleme unterliegen vielmehr, gemessen an der Eignung zur Übermittlung von Inhalten, einer Vermutung und Wahrscheinlichkeit minderer Qualität. Wird beispielsweise die Befriedigung bestimmter Interessen in Aussicht gestellt, ohne dass zugleich die nachteiligen oder lästigen Voraussetzungen, Mittel oder Wege der Realisierung oder zu erwartender Widerstände erwähnt werden, kann das die Zustimmung zu einer zum Scheitern verurteilten Politik herbeiführen. Die Mehrdeutigkeit oder Unvollständigkeit der Botschaft erschwert die optimale Willensbildung der Bevölkerung und beeinträchtigt damit in der Regel die ideale Funktion des Demokratieprinzips. Die Erschwernis liegt in dem Bedarf einer zwischen der Aufnahme der Botschaft und der Willensbildung erforderlichen Ergänzung und der Gefahr, dass sie nicht stattfindet oder fehl geht.

2.2 Qualität von Inhalten.

Als Maßstab für den Wert oder Unwert des Inhalts einer Botschaft jenseits ihrer Bestimmtheit oder Unbestimmtheit kommt in Betracht, inwieweit die Tatsachen, die sie enthält oder auf denen sie beruht, wahr oder unwahr sind und inwieweit sie zutreffende oder unzutreffende Schlussfolgerungen enthält oder auf solchen beruht, ob sie alle für ihren Gegenstand relevanten Tatsachen- und logischen Zusammenhänge berücksichtigt, ob die durch sie vermittelten Bewertungen, Motive oder Verhaltensweisen das Gute oder das Böse, Echtes oder Unechtes, das dem Allgemein- oder Einzelwohl wirklich Zuträgliche oder Schädliche zutreffend benennen oder verwirklichen, ob oder wieweit die Botschaft einen Maßstab zutreffend anwendet oder einem Zweck wirklich entspricht oder wie der Maßstab oder Zweck selbst zu bewerten ist. Als Bewertungsmaßgabe scheidet dagegen die gelegentlich zur abschätzigen Bewertung von Ppopulismus herangezogene Kriterium "politischer (Un)Korrektheit". Dieses Merkmal mag zur Ächtung von Beleidigungen oder stilistischer Entgleisungen geeignet sein. Soll es auf Inhalte bezogen werden, ist es als antidemokratische und patriarchalisch-autoritär abzulehnen.

Gemessen an den genannten Qualitätsmerkmalen ist eine Botschaft, ohne Rücksicht auf ihre Verständlichkeit oder Gefälligkeit, je mehr falsche Informationen über Tatsachen oder je mehr logisch eindeutig fehlerhafte Schlussfolgerungen sie enthält oder je mehr sie auf solchen Informationen oder Schlussfolgerungen beruht, umso weniger wert. Bei der mehrdeutigen Botschaft ist dieser Mangel reduziert, wenn und soweit als sie dahingehend ausgelegt werden kann, dass sie wahr, richtig, nützlich, gut etc.ist oder sofern sie auf Grund des erst später gebildeten Volkswillens jedenfalls Geltung erlangt.

Zwar dient die Meinung einer Mehrheit des Volks nach dem Grundgedanken der Demokratie (griechisch "demos" und lateinisch "populus" bedeuten dasselbe) als Grundlage politischer Entscheidungen dem Allgemeinwohl auch unter angemessener Berücksichtigung des Einzelwohls oder auch eines Vorrangs des Einzelwohls am besten. Dabei kommt in der politischen Wirklichkeit der Industriegesellschaften als personelle Grundlage des demokratischen Gedankens nicht mehr nur ein "Volk" im ethnisch geprägten Sinn, sondern auch die Bevölkerung eines Staates in Betracht, die durch ein gewisses Maß an Integration in den Staat geprägt ist und als Staatsvolk bezeichnet wird. Dennoch kann die im Einzelfall herrschende Mehrheitsmeinung nicht wegen ihrer Volksnähe als inhaltlich besonderes qualifiziert gelten. Und das schon deshalb nicht, weil mehrdeutige Ausdrücke Adressaten Gelegenheit zur Auswahl derjenigen Verständnis-Alternative einer Botschaft geben, die ihren Interessen nach ihrer Meinung am besten zu entsprechen scheint, während andere eine zu dieser Alternative in Gegensatz stehende Auswahl treffen. Vor allem gilt der erwähnte demokratische Grundgedanke nur für förmlich (nämlich mindestens durch Akklamation) getroffene Mehrheitsentscheidungen, während die Eigenart einer Botschaft als "populistisch" vorwiegend in dem einer solchen Entscheidung vorangehenden Vorfeld der Meinungsbildung eine Rolle spielt. Bis zur förmlichen Entscheidung ist gerade offen und Gegenstand der Auseinandersetzung, ob Bewertungen oder Darstellungen richtig oder unrichtig, dem Allgemein- oder Einzelwohl dienlich oder schädlich sind. Selbst nach der förmlichen Entscheidung bleibt das offen, denn der Grundgedanke der Demokratie gilt nur für eine Gesamtheit im Laufe der Zeit getroffener Entscheidungen. Die Möglichkeit des Irrtums einer konkreten Einzelfallentscheidung schließt er nicht aus. Selbst wenn die Botschaft der (noch nicht förmlich beschlossenen aber tatsächlich gegebenen) Mehrheitsmeinung vollkommen entspricht, kann mithin ihre Eigenschaft als "populistisch" (als allgemein gefällig) die Autorität einer Volksentscheidung nicht in Anspruch nehmen. Vielmehr trifft den "Populisten", der eine womöglich irrige Volksmeinung wider besseres Wissen unterstützt, der Vorwurf einer Verletzung der auf seinem besseren Wissen beruhenden Obliegenheit zur Führung, auf die auch Demokratie angewiesen ist.

Als Ergebnis ist Volksnähe mit wahren und unwahren, richtigen und falschen usw. Inhalten vereinbar. Allgemeinverständlicher oder gefälliger Darstellung sind Botschaften jeden Inhalts ohne Rücksicht auf dessen Wert zugänglich. Von ihrer Mehrdeutigkeit abgesehen begründet das Merkmal der Volksnähe keine Tendenz oder Vermutung für eine mindere Qualität der Inhalte einer Botschaft.

2.3 Motivationskraft.

Über die Vermittlung von Inhalten hinaus kommt der volksnahen Botschaft Bedeutung für die Meinungs- und Willensbildung und das Verhalten (Tun, Dulden, Unterlassen) der Adressaten zu. Trifft Verkürzung und Verunklärung sowie Gefälligkeit von Vorschlägen oder Aufforderungen auf Bereitschaften und Wünsche, deren Gegenstand der Adressat in seinen Ursachen, Bedingungen und Folgen wenig durchdacht hat, so ist volksnahe Ausdrucksweise dank ihrer Mehrdeutigkeit insbesondere unter Mithilfe von Emotionen besonders geeignet, den Willen und die Motive vieler Adressaten auf dasselbe Ergebnis (Tun, Dulden, Unterlassen) zu lenken, auch wenn sie sich bei einer der mehreren möglichen Auslegungen als gegenläufig oder unvereinbar erweisen. Volksnähe zeichnet sich durch hohe aber inhaltlich wenig bestimmte Motivationskraft aus. Das gilt besonders dann, wenn es nicht um die Herbeiführung von Entscheidungen oder um die Durchführung von Maßnahmen sondern um die Herbeiführung der Ermächtigung von Personen zu solchen Maßnahmen, um die Herbeiführung ihrer Einsetzung in Führerpositionen geht.

Die durch Motivationskraft vermittelte Qualität volksnaher Botschaften ist von ihrer inhaltlichen Qualität unabhängig. Sie kommt in gleicher Weise Botschaften mit wahren oder unwahren, guten oder schlechten usw. Inhalten

2.4 Ergebnis

. Diese mit Unbestimmtheit verbundene Gefahr und Verfehlung ist jedoch vermeidbar und rechtfertigt es daher nicht, die Begriffe "Populismus" und "populistisch" allgemein und pauschal als Schimpfworte zu verwenden. Ein Mangel an Eindeutigkeit ist keine mit Volkstümlichkeit notwendig verbundene Eigenschaft. Nicht selten bezeichnet im Gegenteil der richtige volkstümlicher Ausdruck seinen Gegenstand genauer als ganze wissenschaftliche Aufsätze. Manchmal erfordert der zugleich volkstümliche und genaue und inhaltsvolle Ausdruck zwar erhöhte Sorgfalt oder einen erhöhten Aufwand an Ausdrucksmitteln oder volkstümlicher, vertiefter Begründung und ausführlicher Erläuterung und damit einen erhöhten Zeitaufwand. Komplexität ist demgegenüber nur eine Ausrede. Je einfacher die einzuelnen, eine ausführliche Botschaft ausmachenden Ausdrücke sind, umso klarer ist das Verständnis auch komplexer Gegenstände beim Adressaten. Letztendlich gibt es nichts, was nicht ebenso genau wie volkstümlich ausgedrückt werden kann. Populismus kann wie jede nicht populistische Botschaft Irrtum oder Schaden anrichten, Erkenntnis oder Wohlstand fördern. Populismus kann durch Verallgemeinerung oder Gefälligkeit gekennzeichnet sein, ist aber nicht notwendig mit ihnen verbunden. Auch mit mehrdeutigen Begriffen kann der Populist richtiges oder falsches, gutes oder ungutes zum Ausdruck bringen oder bewirken. Und Demagogie oder üble Ziele sind nicht auf allgemeinverständliche oder gefällige Ausdrucksweisen angewiesen.

Als Ergebnis ist festzuhalten: Die regelmäßige Gefälligkeit oder relative Unbestimmtheit volksnahen Diskurses begründet eine Vermutung für seine mindere Qualität gegenüber einer gründlichen und ausführlichen Erörterung. Als Beigeschmack ist die Irrtums- und Missbrauchsgefahr daher mit den Begriffen "Populismus" und "populistisch" unvermeidlich verbunden. Diese Bewertung betrifft allerdings in erster Linie die Funktion von Botschaften als Antworten auf Fragestellungen und als Beschreibung von Problemlösungen und weniger die Funktion als Fragestellung und Beschreibung von Problemen. Zur Erinnerung an politische Probleme sind auch mehrdeutige Ausdrücke umso geeigneter, je weniger Adressaten mit ihrem Gegenstand vertraut sind und je weniger dieser bereits bewährte Lösungen enthält. Es lässt sich aber nicht ausmachen, dass populistische Botschaften über Inhaltsarmut hinaus grundsätzlich minderwertig wären. Ähnlich wie die Schärfe eines Messers dem Metzger zustatten kommt aber auch die Gefahr von Verletzungen erhöht, sind Volksnähe und Gefälligkeit Eigenschaften, die mit jeder positiven oder negativen inhaltlichen Qualität einer Botschaft verbunden sein können.

3 Die Populismus-Keule

. Obwohl ihr Wortsinn das nach den vorhergehenden Ausführungen nicht rechtfertigt, werden die Begriffe "Populismus", "populistisch" und "Populist" im gegenwärtigen Sprachgebrauch meist ohne nähere Differenzierung oder Begründung im Sinne einer Ablehnung oder Diffamierung einer Botschaft oder einer Person oder Personengruppe gebraucht. Anklänge für eine bewertende Bedeutung finden sich sogar im "Duden", der Populismus mit "Opportunismus" und "Demagogie" assoziiert (http://www.duden.de/rechtschreibung/Populismus, abgerufen 08 24 2017). Manchmal werden die Begriffe geradezu als Schimpfwort benutzt. Damit sollen Botschaften als unzutreffend, ungut, unzweckmäßig, ungültig, mehrdeutig oder irreführend sowie als vorwerfbar unzulässig, schädlich, verwerflich dargestellt und ihre Autoren oder Vertreter (Personen, Gruppen oder Institutionen) gebrandmarkt werden.

3.1 Politische Notwendigkeit von Populismus.

Für die Verwirklichung des Gemein- und Einzelwohls ist eine inhaltlich klare Verständigung der Bevölkerung untereinander und mit ihren Repräsentanten und Organträgern und insbesondere den staatlichen Instanzen, aber auch mit anderen Völkern von hohem Wert, wenn nicht unentbehrlich. Andererseits dient Volksnähe der Realisierung jeglicher zumindest auf Verstehen wenn nicht auf Sympathie, Zustimmung oder Mitwirkung der Bevölkerung angewiesenen Politik. Demokratie ist durch Volksnähe der politischen Kommunikation geradezu definiert, nur mit ihrer Hilfe kann die demokratische Idee einer durch den Volkswillen legitimierte Bildung und Durchführung politischer Entscheidungen verwirklicht werden. Um einen großen Kreis zu erreichen, bedarf es einer gewissen Einfachheit. Der Verständnishorizont und der für Kommunikation zur Verfügung stehende Zeitraum lassen nur eine umso stärker vereinfachte Darstellung und Bewertung des Gegenstandes der Kommunikation zu, je komplexer dieser strukturiert ist. Gerade auch für das Allgemein- und Einzelwohl besonderes wichtige Botschaft entziehen sich im politischen Diskurs einer vollständigen Darstellung aller Einzelheiten. Vom sachlichen Inhalt her sind Vereinfachungen auch insoweit unvermeidbar, als politische Botschaften - wie in der Regel - hypothetische Darstellungen zukünftiger Verhältnisse betreffen, die ebenso wie ihre Bewertungen zumindest auch von unvorhersehbaren Verhältnissen abhängen.

Die Unmöglichkeit, politische Probleme oder Lösungen massenhaft in aller Differenziertheit zu erörtern, erhöht die Gefahr von Irrtum und Irreführung. Vermehrt wird sie, soweit sich eine sprichwörtlich gewordene Neigung der Bevölkerung zur Sebsttäuschung oder zur Zulassung der Täuschung im politischen Diskurs verbreitet ("mundus vult decipi"- vgl. den Beitrag dieser homepage mit Bezug auf sogenannte "Fake News"). Eingedämmt wird sie im demokratischen Gemeinwesen durch Bemühungen des Publikums um Kenntnis und Verständnis anstehender Probleme und der Möglichkeiten zu ihrer Bewältigung und durch die Anforderungen, die sich daraus an an die Gründlichkeit politischer Botschaften entwickeln. Starke Bemühungen und Anforderungen dieser Art liegen nahe, soweit politische Themen für das Wohlergehen der Einzelnen und der Allgemeinheit ebenso wichtig sind wie bestimmte medizinische oder die Umweltpflege betreffende Themen.

Populismus ist mithin, unabhängig von der Staatsform, aber besonders im demokratischen Gemeinwesen, und trotz seiner Defizite an Informations- und Bewertungstransfer, eine notwendige Art und Form des politischen Diskurses, und Populisten sind seine idealen Autoren oder Vermittler. Führung und Führungserfolg setzen Verständlichkeit und Verständnis von Botschaften durch Führende und Geführte und mithin im politischen Bereich Populismus voraus. Für die Funktion einer Demokratie kommt es dabei auf das Verhältnis der Höhe inhaltlicher Qualität zu derjenigen des Verständnisses und der Teilnahme (des Interesses) der Bevölkerung an. Ein Übermaß an Populismus ist geeignet, diese Teilnahme und dieses Interesse zun verringern und dadurch die Funktion der Demokratie zu beeinträchtigen.

3.2 Irrtum und Missbrauch des Populismus

. In der Wirklichkeit des politischen Diskurses bedienen sich sowohl Erklärung, Erleuchtung, Belehrung als auch Irrtum, Lüge und Täuschung, sowohl Führung als auch Demagogie (Verführung der Bevölkerung) populistischer Botschaften. Irreführung kann dabei auf Bequemlichkeit bei der Bildung der Ausdrucksweise zurückgehen. Aber volkstümlich-einfache Ausdrucksweise kann auch fahrlässig oder vorsätzlich eingesetzt werden, um den Beifall der Bevölkerung für eine in Wirklichkeit schädliche, weil irrige oder unzweckmäßige Darstellung oder Bewertung zu gewinnen oder mittels Schmeichelei und Liebedienerei unbegründete Selbstzufriedenheit oder Träumerei zu erzeugen. Es ist zu erwarten, dass ein Autor Botschaften so zu gestalten sucht, dass sie am besten geeignet sind, die angestrebten Zwecke und Ziele zu erreichen. Deshalb ist auch zu erwarten, dass der Autor von der Chance Gebrauch macht, durch mehr oder weniger unbekümmerte oder absichtliche Irreführung und insbesondere Mehrdeutigkeit seiner Botschaft die Vorstellung zu erwecken, dass das Verhalten der Adressaten dem Allgemeinwohl oder den Interessen der Adressaten am besten entspricht, auch dieses Ergebnis nicht gesichert ist. Inkaufnahme von Irreführung oder Irreführungsversuche werden sich an einer Einschätzung des Verständnisses und des zu erwartenden Bemühens des Publikums um Verständnis von Bedeutungorientieren. Nicht näher erläuterte mehrdeutige Ausdrücke sind besonders geeignet, einen Sachverhalt oder seine Bedeutung zu verschleiern, etwas zu suggerieren (zum Beispiel einfache - aber in Wirklichkeit untaugliche - Lösungen für komplizierte Probleme), Illusionen zu erzeugen und sogar den Anschein zu erwecken, entgegengesetzten Interessen werde in gleicher Weise entgegengekommen. Ähnliches gilt für die Ansprache von Emotionen etwa durch populistische "flotte, freche, kecke Sprüche, ... politische Clownerei und Scharfmacherei (Matthias Heitmann, in Cicero 2. April 2017).

Aus der Vielfalt der Gegenstände öffentlichen Interessen und der qualitativ und quantitativ begrenzen Kapazität eines breiten Publikums für die Aufnahme, gedankliche Verarbeitung und Umsetzung einschlägiger Botschaften in eine Meinung oder ein Verhalten ergeben sich Schranken für die Differenziertheit eines breiten politischen Diskurses. Dieser muss sich mit Verweisung auf anderweitige Erläuterungen oder auf Vertrauen in den Autor behelfen. Der resultierende Bedarf an Einfachheit und Gefälligkeit politischer Botschaften erleichtert die Verbindung von Volksnähe mit Irrtum, Täuschung und Verführung eher als gründliche, ausführliche Botschaften. Aber einfache Botschaften können ebensowohl richtig sein, wie auch Gründlichkeit und Ausführlichkeit subtiler Rafinesse geeignete Ansatzmöglichkeiten für Täuschung und Verführung bieten.

In der Regel wird Gründlichkeit, Wahrhaftigkeit und Redlichkeit am ehesten zu guten Ergebnissen führen. Von daher stellt sich Irrtum als Mangel und Irreführung als Missbrauch der populistischen Art und Form dar. Es ist aber auch nicht auszuschließen , dass eine zur Irreführung geeignete oder bewusst irreführende Botschaft im Einzelfall besser als Wahrheit und insbesondere als ganze Wahrheit zu einem dem Allgemein- oder Einzelwohl in Wirklichkeit durchaus dienlichen Denken oder Verhalten führt. (Daher ist der berühmte Satz von Carl Schmitt: "wer 'Gemeinwohl' sagt, will betrügen" eine - pädagogiscvhe - Übertreibung). So wie es den Geist gibt, der das Gute will aber das Böse schafft, gibt es auch den Geist, der das Böse will und dennoch das Gute schafft. Populismus steht beiden gut an.

3.3 Widersinnigkeit der Diffamierung von Populismus.

Motto: "Gott ist parteiisch. Und zwar für die Armen. Das ist doch populistisch" (NZZ 20.10.2020 S. 26)

Durch Denunziation einer Botschaft oder ihres Autors als "populistisch" oder "Populist" wird unterstellt, dass durch eine Politik oder eine Person Irreführung oder Schaden droht . Die Unterstellung wird auf die Spitze getrieben, soweit sie zugleich besagt, dass das Gegenteil der Botschaft gut und richtig ist (vgl. Lübbe-Wolff FAZ 2018 01 06). Mit dieser Unterstellung allein ist aber ein Bezug auf Wahrheit, Richtigkeit, Wohl der Allgemeinheit der Einzelner noch nicht einmal nahegelegt geschweige denn gesichert. Denn die Denunziation unterliegt selbst der Möglichkeit des Irrtums oder. der Irreführung. Das gilt besonders für das logisch nur beschränkt zulässige argumentum e contrario.

Der diffamierende Gebrauch der Begriffe "Populismus" und "populistisch" ist seinerseits durch Unbestimmtheit oder Widersprüchlichkeit gekennzeichnet und oft irrationalen, emotionalen Ursprungs. Soll mit den Ausdrücken "Populismus" und "populistisch" Ablehnung bekundet werden, ohne dass zugleich die der Ablehnung zugrundeliegenden Tatsachen oder Schlussfolgerungen und gegebenenfalls Alternativen gründlich beschrieben und Maßgaben benannt oder entwickelt sowie die Ablehnung überzeugend begründet wird, so dient der diskriminierende Gebrauch der Ausdrücke als Populismuskeule der Vermeidung oder aktiven Blockade notwendiger Recherche, Analyse und sachlicher Auseinandersetzung. An die Stelle einer freilich mühsamen, aber dem Gemeinwohl oder den Interessen der Kontrahenten dienenden oder zumindest mit diesen vereinbaren rationalen Meinungs- und Willensbildung tritt der Einsatz von Charisma, Anmaßung, Ängsten und/oder eine Aufblähung von Ressentiments, Wut und anderen Emotionen. Das schadet der Erkenntnis und Problembewältigung jedenfalls mehr als der beschimpfte "Populismus" und begründet den Vorwurf eigentlicher oder zusätzlicher Irreführung an die Adresse des Denunzianten. Letztlich richtet sich die nicht näher oder etwa mit untauglichen Kriterien wie "politische (Un)Korrektheit" erläuterte Beschimpfung als "Populismus" gegen alles, was und die mit der (gegebenenfalls unbekannten) Meinung des Beschimpfers nicht vereinbar ist. Ohne ausführliche Spezifikation und Begründung fällt der beabsichtigte Schimpf des "Populismus" als Vorwurf der Unbestimmtheit, der eigenen Konzept- oder Hilflosigkeit sowie Gedankenarmut oder der Irreführungsabsicht auf den Beschimpfer selbst und seine Beifallspender zurück.

Mit der Verbindung der Ausdrücke "Populismus" und "populistisch" mit einer abschätzingen Bewertung stellt der Denunziant die Geltung des demokratischen Prinzips infrage oder verweigert seine Anwendung. Denn dieses Prinzip setzt sachliche, vernünftige und möglichst gründliche und damit volksnahe Auseinandersetzung mit anstehenden Problemen oder Wahlen voraus. Eine nicht anders als mit seiner Volksnähe begründete Diffamierung von Populismus unterstellt, dass sich die Adressaten nicht der Mühe kritischer Diskussion unterziehen wollen, und baut damit auf deren Selbstentmündigung, die in der Tat Demokratie ausschließen würde. Das ist es wohl, was Barbara Kuchler in ihrem Beitrag „Populismus, was ist das eigentlich ?“ in der FAZ vom 17.6.2017 als zu Recht schlecht beleumundeten Kunstgriff bezeichnet hat, "aus Abfällen des demokratischen Prozesses Energie zu ziehen". Denunziation von Populismus ist allenfalls sinnvoll als Ergebnis einer sachlichen, wohlbegründeten Berichtigung. Ohne diese liegt sogar nahe, dass die Diffamierung Reklamewirkung zugunsten des zu kritisierenden Populismus hat. (Vgl. dazu den Beitrag "Fake News")

Populismus ist legitime politische Praxis gerade auch in demokratischen Gemeinwesen, wenn und soweit gründliche sachliche Argumentation aus Gründen, die in den Bedingungen einer konkreten Diskussion liegen, im Einzelfall tatschlich nicht möglich ist. Es gibt Unterschiede der Häufigkeit oder des Grades der Bedenkenlosigkeit des Verzichts auf Anstrengungen zur inhaltlichen Vertiefung, aber Populismus ist auch diesseits jener Unmöglichkeit gängige Praxis aller Parteien der gegenwärtigen politischen Szene. Es ändert wenig, wenn im Wettbewerb der Populisten Begriffe gebraucht werden, unter denen der Beschimpfer, der Beschimpfte und das Publikum jeweils etwas anderes und sogar gegensätzliches verstehen. Nicht selten entsteht ein bunter Strauß von Beschimpfungen und Gegenbeschimpfungen, deren Gegenstand auf diese Weise verdeckt anstatt geklärt, geschweige denn bewältigt wird. Zusätzlich beanspruchen gerade die etablierteren Parteien das Monopol auf den Einsatz der Populismuskeule.

Ein aktuelles Beispiele für irreführenden Populismus der deutschen Regierungspartei bietet die öffentliche Auseinandersetzung um die ohne ausreichende Planung und Regulierung zugelassene, noch dazu gesetzwidrige Massenimmigration nach Deutschland (dazu die Beiträge zur Migration nach Europa und zum Problem von Migration und Staatlichkeit). Mit der zu Beginn dieser "Willkommenskultur" zu ihrer Begründung verwendete, moralisch auf den Bedarf an Nothilfe bezogenen Formel "wir schaffen das" wurde über die Notwendigkeit gründlicher Erwägung und öffentlichen Erörterung der vielfältigen Voraussetzungen sowie schwerwiegenden Haupt- und Nebenfolgen dieser Kultur hinweggetäuscht.

Die Handhabung der Populismuskeule bringt unabhängig von ihrer womöglich im Einzelfall tieferen Berechtigung die Geringschätzung einer Diskussion und der Meinungsfreiheit und/oder der Meinung der Adressaten und gegebenenfalls der ganzen Bevölkerung ein, etwa indem Populist und Denunziant gleichermaßen fraglose Autorität in Anspruch nehmen oder zum Ausdruck bringen, dass sie das Publikum einer Erläuterung nicht für wert halten. Sie wird von Autoren aller politischen Lager angewendet.

3.4 Problem-Bewältigung durch sachliche Diskussion

. Die einzig zielführende Art der Reaktion auf Botschaften, die mit der Populismuskeule angegriffen zu werden pflegen, besteht in ihrer rationalen Widerlegung oder Bestätigung. Beides geschieht durch überzeugende Entwicklung, Diskussion und Darstellung der Maßstäbe, an denen die populistische Aussage zu messen ist, und der ihrer Anwendung zugrundezulegenden Tatsachen, sowie durch eine möglichst zwingende Begründung der Ablehnung oder Bestätigung an Hand dieser Tatsachen und Maßgaben.

Kritik und Widerlegung oder Bestätigung ist Aufgabe aller Adressaten und auch betroffener Dritter, insbesondere Aufgabe den Namen verdienender Demokraten, und unter ihnen umso mehr derjenigen, die über präsentes (Fach-)Wissen und erprobte Urteilskraft verfügen oder sogar eine besondere Verantwortung für zutreffende Berichterstattung oder Beratung der Bevölkerung haben. Geht es um die richtige Politik, müssen Ross und Reiter sowie Mittel und Wege benannt und beschrieben werden.

4 Rückkehr zur Wortbedeutung

. Begriffe sind Zweckschöpfungen (vgl. das Stichwort "Begriff" im kritischen Wörterbuch dieser homepage). Die Ausdrücke "Populismus", "populistisch" oder "Populist" erweisen sich nach Vorstehendem als ungeeignet zur inhaltlichen Bewertung von Aussagen oder der Träger oder Vertreter von Meinungen. Ihr Gebrauch zum Zweck inhaltlicher Bewertung lenkt vielmehr von der nützlichen Funktion der Ausdrücke ab, eine Ausdrucksart (nämlich diejenige der Volksnähe) von anderen zu unterscheiden. Der inhaltsbezogene Gebrauch des Begriffs "Populismus" verdeckt Probleme oder stiftet sogar Verwirrung, statt zu ihrer Lösung beizutragen, er diskreditiert vernünftiges Denken und Argumentieren und verschwendet geistige Energie. Er beschädigt darüber hinaus die politische Verständigung, gerade auch dort wo er scheinbare Einigkeit feiert.

Statt untauglicher Versuche, sie mit Bewertungen zu belasten, empfiehlt es sich, die Begriffe "Populismus" und "populistisch" auf die Bezeichnung einer volkstümlichen, volksnahen Ausdrucksweise zu beschränken. Denn sie dienen dann der Benennung und bedeutsamen Unterscheidung verschiedener Arten insbesondere öffentlicher Kommunikation von Gegenständen allgemeinen Interesses.


Stellungnahme zum Aufsatz von Andreas Voßkuhle „Demokratie und Populismus“ (FAZ 23.11.2017)

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1

Andreas Voßkuhle möchte „Populismus“ als politisches Kampfwort etablieren. Der vorstehende Beitrag plädiert für das Gegenteil, nämlich dafür, darunter nichts als „Volkstümlichkeit“ zu verstehen und den Ausdruck in der Politik durch sachliche Auseinandersetzungen zu ersetzen. In der Frage, wie dem Phänomen zu begegnen ist, dem das Schimpf- oder Kampfwort gilt, stimmen die Beiträge weitgehend überein. Nicht so in der dem Ausdruck zuzuweisenden Bedeutung. Die Abweichungen werden im folgenden diskutiert.

Um dem Kampfwort eine Richtung zu geben, definiert es Voßkuhle als „bestimmte Strategie zum Erwerb und Erhalt politischer Herrschaft, die mit nahezu jeder inhaltlichen Ausrichtung kombiniert werden kann“. Aber mit diesem Inhalt taugt es nicht als Kampfwort, denn dann gilt es so gut wie für jede Politik, jeden Politiker. Deshalb Ordnet ihm Voßkuhle Charakteristika zu, die ein ideologisches Minimum ausmachen, um die Strategie und die Herrschaft näher zu erläutern. Und zwar durch Charakteristika, die Populismus negativ, als etwas zu bekämpfendes bewerten (und daher im Wahlkampf leicht in Beschimpfung umschlagen können).

2

Das erste Charakteristikum ist der dem Populisten unterstellte Alleinvertretungsanspruch, der eine antipluralistischer und antidemokratischer Stoßrichtung hat und sich auf Usurpation des alleinigen Wissens um den wahren Volkswillen gründet. Aber müssen nicht Wahlbewerber in einer Demokratie immer ein Wissen oder jedenfalls eine Meinung geltend machen, die sie entweder für den Volkswillen oder für wert halten, dass sie sich der Volkswille zu eigen macht ?

3

Ein weiteres Charakteristikum des Populisten sei seine Behauptung, er kenne die Wahrheit, die sich jeweils im Besitz des Volkes befinde und die deshalb keiner Rechtfertigung bedürfe. Aber geht es nicht in der politischen Propaganda mehr darum, was gelten soll, als um Wahrheit ? Wahrheit spielt nur insofern herein, als Wertschätzung für Demokratie davon ausgeht, dass die Mehrheit am ehesten erkennt, was am besten gelten sollte und insofern wahr ist. Und ist es nicht ein Mangel unserer real existierenden Demokratie, dass es allenthalben an der Bereitschaft der Politiker, ihrer Organisationen, und sogar mancher Staatsorgane fehlt, ihre Meinungen, Wahlpropaganda, Forderungen, Entscheidungen und Anordnungen genügend breit und tief unter Berücksichtigung aller Kollateralien zu spezifizieren und zu begründen ?

4

Ferner sieht Voßkuhle ein Charakteristikum des Populismus in dessen Verschlossenheit gegenüber Mitwirkungsrechten anderer und für Kompromiss und in ihrer Abneigung gegen Loyalität gegenüber der Mehrheit. Nun kann Wahlbewerbung, die Erfolg haben will, ein Projekt nicht von vornherein mit inniger Kompromissbereitschaft und Loyalitätsversprechen gegenüber anderen Meinungen garnieren. Und schließlich zwingt die Verfassung jedermann zu Kompromiss und Loyalität der Mehrheit gegenüber.

5

Ist der Anspruch auf Repräsentation, auf überlegenes Wissen, auf Führung, ist Vorformulierung des „vermeintlichen“ Auftrags des Volkswillens wirklich, wie Voßkuhle andeutet, ein Kennzeichen des Populisten ? Demokratie kann nicht grundsätzlich Vorformulierung der Politik durch das Volk erwarten, Politiken werden dem Volk vielmehr in der Regel vorgeschlagen, und zwar hoffentlich auf Grund überlegenen Wissens und Überzeugung und nicht gegen besseres Wissen. Ein solcher Vorschlag ist Kern jeder Führerschaft, die schließlich das Ergebnis der Zustimmung des Volks auch repräsentieren will.

Parlamentarismus, gegen den sich Populismus nach der Auffassung Voßkuhles wendet, beschränkt nicht die Volkswillensbildung auf das Parlament. Parlamentarismus beginnt vielmehr erst nach der Wahl. Schon vorher muss der Wählerwille gebildet und zu diesem Zweck vorformuliert werden.

Der ebenfalls dem Populismus als Merkmal zugeschriebene und im Aufsatz von Voßkuhle wohl negativ bewertete Top-down Regierungsstil entspricht der Kompetenz gewählter Organe, bottom-up gilt dagegen hauptsächlich vor der Wahl.

6

Der Abgeordnete - und der Wahlbewerber stellt sich als künftiger Abgeordneter vor - ist nicht nur frei, er ist nach Art. 38 Abs.1 Satz 2 GG auch verpflichtet, das ganze Volk zu vertreten. Dazu muss er sich ein Bild von dessen Willen machen, zumindest aber davon, was es wollen würde, wenn es vor eine konkrete Frage gestellt würde, und er muss sich mit dem Ergebnis identifizieren, um seiner Gewissenspflicht zu genügen. Die Anforderung ist nicht weit von der Frage entfernt, was das Volk wollen sollte (und, weil es eine gewisse Gewähr für Richtigkeit bietet, voraussichtlich auch tatsächlich will). Spätestens hier kommt das Gewissen des Abgeordneten zum Zuge.

Der verfassungsmäßig gebotene Fraktionspluralismus mit seiner Freiheit von Fraktionszwang oder Bindung an eine Basismeinung, den Populismus in der Sicht Voßkuhles eher ablehnt, ist in der real existierenden Demokratie ein Problem auch für die aller-etabliertesten Parteien.

7

Mit Denunzierung, Designation des Meinungsgegners zum Feind, Bekämpfung und Kontrolle von Widerrede und oppositionellem Verhalten, mit dem Ziel der Besetzung aller Ämter und Richterstellen im Fall eines Wahlsiegs stellt sich Populismus in der Perzeption Voßkuhles gegen Meinungs-, Presse-, Informations- und Rundfunkfreiheit, gegen das grundgesetzliche Recht auf effektive Opposition, gegen ergebnisoffenen Wettbewerb, gegen Checks und Balances und Gewaltenteilung . Die Tendenz zu dergleichen ist allerdings in allen real existierenden Parteien vorhanden und tatsächlich erheblich allgemein spürbar wirksam. Sie findet für alle seine Grenze an gesetzlichen Ge- und Verboten. Deren Einhaltung ist eine Frage gleichmäßigen und wirksamen Vollzugs.

8

Im einzelnen:

Der Ausdruck „Populismus“ wird bereits weit überwiegend als Schimpfwort gebraucht. Alle im Beitrag vom September dagegen vorgebrachten Gründe sprechen auch gegen seine Inanspruchnahme als Kampfbegriff.

Die Forderung Voßkuhles, dass Rechtsverstöße sanktioniert werden müssen, muss selbstverständlich für alle Politiker gelten. Und selbstverständlich müssen alle antidemokratischen Projekte und politischen Bestrebungen, die mit der - sei es verschleierten - Absicht oder auch nur der Gefahr eines Totalitarismus verbunden sind, bekämpft werden. Aber eine Etikettierung als Populismus oder sogar mit einem ausdruckskräftigeren Kampfbegriff trägt für sich allein dazu kaum bei. Vielmehr muss die Tatsache der Bestrebungen aufgedeckt, ihre Ursächlichkeit und die Übel und Nachteile ihres drohenden Erfolges müssen überzeugend dargetan und bewertet, die Urheber sogar auch bei bloßer Fahrlässigkeit mit ausführlicher Begründung angeprangert werden.

Der Vorwurf, zynische Verschleierung antidemokratischer Totalitarismus-Strategie zu betreiben, ist ein schriller Ton. Zum Argument, das auch dem Andersdenkenden Diskussionsraum überlässt, wird der Vorwurf erst dadurch, dass bestimmte Aussagen oder Verhaltensweisen beschrieben und die ihnen zugeschriebene negative „Qualität“ begründet wird.

Die Forderung Voßkuhles, Tabubrüche abzuwerfen, schließt wohl die gerade von sogenannten Populisten bekämpfte Argumentationsbarriere der „political correctness“ ein. Die zulässige krasse Opposition gegen herrschende Meinungen ist oft das, weswegen „Populisten“ als solche beschimpft werden. Man bedenke: der meinungsfreie Bürger darf doch wohl innerhalb der Grenzen der (verfassungsmäßigen) Strafgesetze seine Präferenz für Verfassungsänderungen, Sezession und sogar für eine Diktatur äußern, ohne dafür vom Staat bestraft zu werden. Schließlich besitzt die Bevölkerung verfassunggebende Gewalt. Besteht nicht die beste Reaktion auf solche Äußerungen und Auffassungen in einer überzeugenden Darlegung, dass und weshalb das Befürwortete für jedermann höchst schädlich ist ?

Die Empfehlung Voßkuhles, „Soziologische Großdeutungen“ und „kollektive Pathologisierung“ zu vermeiden, lässt sich auf alle leider beliebten Schlagworte ausdehnen, die ebenso ganze Ideologien wie ihre Anwendung im konkreten Zusammenhang zu bezeichnen vorgeben aber widersprüchlicher Deutung zugänglich sind - einschließlich des Ausdrucks „Populismus“.

Auch die von Voßkuhle abgelehnte Herablassung des Akademikermilieus ist nur eine Ausprägung der verbreiteten Bevorzugung von Beschimpfung statt Argumentation, die dem Beschimpften Sympathien verschaffen kann.

Der Hinweis, dass selbst Alleinvertretung beansprucht, wer andere aus dem demokratischen Diskurs ausschließen will, lässt sich durch die Erwägung ergänzen, dass sich der Alleinvertretungsaspirant irren kann, und zwar auch wenn er zum Establishment gehört, so dass der Verzicht auf Diskurs mit der Option einer Berichtigung die Verfolgung des Gemeinwohls beeinträchtigt.

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Als wichtigstes Fazit fordert Voßkuhle: Beständige argumentative Auseinandersetzung mit einzelnen politischen Forderungen gerade auf heiklen Politikfeldern sowie das Aufzeigen konkreter Handlungsoptionen, damit Wähler die Wahl haben, und als Reaktion auf antidemokratische Verschleierung den Nachweis partikulärer, gemeinwohlwidriger Präferenzen.

Die Populismuskeule bringt auch denjenigen, der sie schwingt, in die Gefahr, Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie eine optimaler Verfolgung des Gemeinwohls zu verfehlen. Die Keule ist aber überflüssig, wenn die Forderuzngen Voßkuhles erfüllt werden. Sie erweist sich übrigens oft genug auch für die nachhaltige Bewältigung ihres wie immer gearteten Gegenstandes als ungeeignet oder kontraproduktiv. Für eine Assoziation mit schweren und schwersten politischen Verfehlungen und um im Wortstreit Verschiedendenkender aufgerieben zu werden, bietet der Wortbestandteil „populus“ keinen ethymologischen Anhaltspunkt. Der ist dafür auch zu schade. Der Ausdruck "Populismus" sei seiner ursprünglichen Bedeutung als "Volksnähe" oder „Volkstümlichkeit“ zurückgegeben.



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