Migration - Aktuelle grundsätzliche Betrachtungen.
Tod im Mittelmeer - Chaos der Erstaufnahme - Widerspruch zwischen
Aufnahmebereitschaft und Verweisung auf illegale Wege - Quoten für europäische
Länder illusionär.
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pro-re-publica.eu
2015 09 05
Der deutsche Bundesinnenminister rechnet mit 800.000 Menschen, die
2015 nach Deutschland kommen. An eine Zurückweisung an den Grenzen
Deutschlands oder der Freizügigkeitszone des Schengen-Abkommens ist nicht
ernsthaft gedacht. Also sollen diese Menschen offenbar - nach Durchlaufen
einer Erstaufnahmestage nebst Verwaltungsverfahren - entweder aufgenommen
oder abgeschoben werden. Wenn wie bisher in Deutschland höchstens ein
Viertel der Ankömmlinge abgeschoben wird, bleiben 600.000 hier. Auch damit
scheint die Regierung zu rechnen. Ihre Aufnahmebereitschaft beruht auch auf
einem Bedarf Deutschlands, seinen massiven Bevölkerungsrückgang auszugleichen.
Aber es fehlt an einem plausiblen Plan, wie eine Auswahl zwischen
Einwanderungswilligen getroffen, wo und wie konkret wieviele Einwanderer
versorgt und integriert werden sollen. Nur für eine erste Notaufnahme
ist - bei weitem unzulängliche - Vorsorge getroffen. Der bei ausreichender
Einwanderungsplanung überflüssige Teil des bereits in Milliardenhöhe
geschätzten Aufwandes für Erstaufnahme und beispielsweise der Ressourcen
des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge mit seinen 3000 Beschäftigten
könnte besser verwendet werden, um die entgültige Niederlassung zu
organisieren.
Da Einwanderungswillige trotz der Aufnahmebereitschaft zurückgewiesen werden,
wenn sie mit Flugzeug, Schiff oder Orient-Eisenbahn anreisen wollen, sind sie
auf kriminelle Schlepper angewiesen, die sie nach Schwarzmarktregeln ausbeuten
und in lebensbgefährlichen Booten über das Mittelmeer oder über unsägliche
Landwege transportieren, deren Unsicherheit zum Teil durch messerscharfe
Stacheldrahtzäune erhöht wird. Dadurch wird eine Vorauswahl zugunsten der körperlich und
gemütsmäßig robustesten, am wenigsten durch Rücksichten aller Art
behinderten Einwanderungswilligen getroffen. Schaffen sie es nach Deutschland,
so kommt als Auswahlkiterium im Aufnahmeverfahren in erster Linie das hier
geltende Recht in Betracht, wonach "politisch Verfolgte Asyl genießen". Ein
solches Recht lässt grundsätzlich eine Auswahl nach Interessenkriterien nicht
zu. Andererseits kann von "politischer Verfolgung" beim größten Teil der
Ankömmlinge, die aus Bürgerkriegsgebieten oder aus Gebieten ohne Schutz
gewährleistende staatliche Ordnung fliehen oder einfach aus Staaten kommen,
unter deren Bedingungen sie nicht leben möchten, nicht die Rede sein. Im
übrigen ist eine für Integration am Niederlassungsort wichtige
Regelmäßigkeit der Auswahl zumindestz für die - höchst interessierte -
deutsche Bevölkerung nicht ersichtlich. Ersichtlich ist auch nicht, ob und
wie Selbstversorgungs- und Integrationsfähigkeit oder von
Familienverbindungen oder spezifische Interessen der Heimat- und
Aufnahmeländer berücksichtigt werden.
Es ist widersinnig, die Bereitschaft zur Aufnahme von Millionen erkennen zu
lassen und in die Tat umzusetzen, aber keine ausreichenden Möglichkeiten zu
legaler Einreise (in Verbindung mit umfassender Zurückweisung illegaler
Einwanderer) zu schaffen und den Einwanderungswilligen stattdessen den
Todesmarsch zu Lande bei mangelhafter Versorgung ohne Weg und Steg über
Hindernisse (zu denen auch rasiermesserscharfe Stacheldrahtzäune gehören)
oder die Überquerung des Mittelmeers unter ebenso mörderischen Bedingungen
geradzu nahezulegen. Ebenso widersinnig sind angesichts dieser Bereitschaft
Hoffnungen auf abschreckende Wirkungen dieser und anderer Umstände der
Völkerwanderung.
Wir haben es mit einem Versagen des Staates zu tun, das einen ähnlichen
Rang hat wie ein Mangel an Gewährleistung innerer oder äußerer Sicherheit.
Dabei ist im Auge zu behalten, dass in einer Demokratie das Volk sowohl
herrscht als auch Staatsversagen zu vertreten hat, und dass
Masseneinwanderung ohne breite Akzeptanz in einem Chaos enden muß, dessen
Vorboten wir bereits begegnet sind. Dass sich die Gesellschaft die
Integration von Einwanderern nicht stärker angelegen sein läßt, hat
mit Mängeln des Staaatswesens und der Gesellschaft zu tun. Nun müssen
alle Kräfte aller Regierungs- und Verwaltungsebenen und aller politischen
Parteien sowie der Gesellschaft eingesetzt werden, um eine konkrete und
langfristige Vollintegration mehrerer Millionen Einwanderer im Detail zu
planen und zu realisieren.
Das in den Mittelpunkt der Tagespolitik gerückte Thema von
Aufnahmequoten für Mitgliedsländer der EU verdeckt das Kernproblem.
Zu einer Quotenregelung dürfte es ohnehin kaum kommen. Da es sich nicht
nur um Quoten einer Last sondern auch um Quoten für Vorteilschancen
handelt und die Quoten nicht nur die Interessen der Aufnahmeländer
sondern auch diejenigen der Herkunftsländer berühren, wäre es übrigens
erforderlich, sie nach persönlichen Merkmalen beispielsweise der Herkunft
und der Qualifikation zu verbinden. Im Mittelpunkt politischer
Bemühungen sollte stattdessen eine Lösung stehen, die wie folgt aussehen
könnte: Jedes europäische Land entscheidet autonom, wieviele Einwanderer
es unter welchen Bedingungen (Gesundheit, Sprachkenntnisse, Alter,
Ausbildung, Familienzusammenhalt) aufnehmen will, gibt das in den
Auswanderungsländern bekannt und genehmigt legale Einreisen. Um
dieses Verfahren zu ermöglichen, verhindern die
Einwanderungsländer gemeinsam und konsequent jede illegale Einreise
nach Europa durch Abriegelung der europäischen Landgrenze der Türkei
und durch sofortige Rückschaffung auf dem Mittelmeer oder der Ägäis
oder in den Anliegerländern dieser Meere aufgegriffener illegaler
Einwanderer in die Gegend ihrer Einschiffung. Die flankierende
Unterhaltung karitativer "Erstaufnahmeeinrichtungen" für auf diese
Weise zurückgeführte Menschen würden nur einen Bruchteil der Kosten
der Erstaufnahme in den Einwanderungsländern verursachen.
Siehe auch
"Migration nach Europa"
"Migration und Staatlichkeit" und
"Migration nach Deutschland - Sofortmaßnahmen". Ein Leserbrief an die FAZ
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