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Freiheit.

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von/by Dr. Christian Heinze (Kontakt/Contact) vom 21.6.2019, gründlich überarbeitet am 30.5.2020.

Begriff der Freiheit.

Im weitesten Sinn ist Freiheit die Abwesenheit von Beschränkungen oder Hindernissen für die Entfaltung des Einzelnen . Gegenstand der Entfaltung ist die körperliche Existenz und jedes von Natur ermöglichte innere oder äußere Verhalten des Menschen, insbesondere die Gestaltung seines Verhältnisses zur Natur und damit zu anderen Menschen, die Fortbewegung und die zwischenmenschliche Kommunikation und am wichtigsten die spezifisch menschliche Betätigung des Geistes (Denken, Erkennen, Ahnen, Fühlen, Glauben).

Diese Freiheit besteht von vorn herein nur in den Grenzen der Fähigkeiten des sich entfaltenden Einzelnen, der Beschaffenheit der Umwelt und der Naturgesetze.

So ist die Freiheit bereits durch die bloße Existenz anderer Menschen beschränkt, weil sich kein Mensch an einem Ort aufhalten kann, an dem sich ein anderer Mensch befindet. Diese Freiheit, sich an einem Ort zu befinden, kann er nur durch Beschränkung derselben Freiheit aller anderen Menschen erlangen.

Der Mensch ist auch nicht frei, soweit er seinen Bedarf an Gütern nach Naturgesetzen in der Natur sammeln oder selbst herstellen oder gegen eigene Leistungen von anderen Menschen eintauschen muss, er ist nicht frei von Arbeit (von der oft als solche empfundenen Last, arbeiten zu müssen). Freiheit von Arbeit kann er nur erhalten, soweit die Freiheit anderer (freiwillig oder gezwungen) dadurch eingeschränkt wird, dass sie seinen Bedarf decken, indem sie für ihn arbeiten.

Weitestgehend unbeschränkt ist dagegen die Freiheit des Geistes. "Die Gedanken sind frei". Gedankenfreiheit unterliegt von Natur aus keinen anderen Schranken als denen, die sich der Mensch selbst setzt, indem er seinem Instinkt, seinem Gewissen, seinen Emotionen, durch Familie, Sippe und Gesellschaft tradierten sittlichen oder moralischen Regeln oder vernünftigen Erwägungen folgt. Er verbietet sich schlechte Gedanken. Von außen kann Gedankenfreiheit nur durch schwerste körperliche Behinderung (Ohnmacht, Schmerz) oder Tod eingeschränkt oder aufgehoben werden. Irrtum oder Verfehlung der Gesetze der Logik beschränken nicht die Geistesfreiheit sondern betreffen eine Bewertung ihrer Ergebnisse.

Mit Bezug auf das Verhältnis der Menschen zueinander ist Freiheit die Abwesenheit von Behinderungen und Beschränkungen der Entfaltung der Menschen durch das Verhalten anderer Menschen. Diese Freiheit entsteht durch (selbst- oder fremdgesetzte) Beschränkung der Freiheit aller Anderen zu dem freiheitsbeschränkenden Verhalten. Freiheit zwischen Menschen ist eine Funktion der für alle geltenden Freiheitsbeschränkungen. Wegen dieser Wechselbeziehung kann es keine absolute Freiheit, kann es nicht "die Freiheit", sondern nur einzelne begrenzte (definierte) Freiheiten und muss dann entsprechende Beschränkungen und Grenzen geben. Den Anlass zu ihrer Definition bieten nicht nur konkrete gegenwärtige, sondern, um Lebensplanung zu ermöglichen, auch vergangene und vor allem gedachte künftige Konflikte.

Herstellung und Erhaltung zwischenmenschlicher Freiheit.

Bei einer Kollision von Freiheitswünschen hängt zwischenmenschliche Freiheit davon ab, wie und nach welchen Maßgaben sowie durch wen und in welchem Verfahren einzelne Freiheiten und die sie gewährleistenden Freiheitsbeschränkungen bestimmt und festgelegt (verteilt) und die Einhaltung der Festlegung durchgesetzt oder zumindest ihre Verletzung kompensiert wird.

Die Festlegung geschieht seit Beginn der Menschheit weitgehend durch Selbststeuerung an Hand der schon erwähnten Maßgaben des Instinkts, des Gewissens, der Traditionen und von Emotionen oder vernünftigen Erwägungen im Wege eines freiwilligen Freiheitsverzichts. Oft ist auch gegenseitiger Verzicht Inhalt einer Übereinkunft (Vertrag) zwischen den an einer Freiheitsverteilung Beteiligten. Dauerhaft zusammenlebende Menschen bilden Gesellschaften, in oder zwischen denen auf ähnlichen Wegen Freiheiten definiert werden. Die gesellschaftlichen Festlegungen gelten für alle Mitglieder der Gesellschaft auf Grund (stillschweigender oder ausdrücklicher) Einigung.

Manchmal und in manchen kleineren Gesellschaften genügt diese Steuerung, um ein zufriedenes Zusammenleben nachhaltig zu ermöglichen, . manchmal auf Grund geringer Ansprüche, manchmal aber auch in idealer Weise. Das ist jedoch die Ausnahme. Denn nicht immer und überall kommt es zu Selbststeuerung oder Vertrag oder zu ihrer erforderlichen Korrektur. Und in den meisten Gesellschaften kommt es mehr oder weniger häufig zu Durchbrechungen der geltenden Freiheitsverteilung. An diesem Punkt setzt zwischenmenschliche Zwangsgewalt ein als Mittel zur Herstellung von Freiheiten durch Überwindung von Freiheitsansprüchen (mithin zu einem erzwungenen Freiheitsverzicht) Beteiligter bis hin zu deren Tötung. Gewaltanwendung zu diesem Zweck ist in der Natur des Menschen ebenso angelegt wie der Wunsch nach zwischenmenschlicher Gemeinschaft, die den erwähnten Verzicht nahelegt.

Die berühmte Beobachtung von Titus Maccius Plautus (ca. 254-184 v. Chr.), der Mensch verhalte sich zu seinesgleichen wie ein Wolf ("lupus est homo homini, non homo...", in der Komödie Asinaria), ist allerdings unvollständig. Denn es lässt sich nicht nachweisen, dass dieser Wesenszug des Menschen seinen Wunsch nach Zusammenleben in friedlicher Gemeinschaftlichkeit (appetitus socialis) überwiegt. Eher ist das Gegenteil der Fall, so dass der appetitus socialis zu dem notwendigen Freiheitsverzicht motiviert. Die Beobachtung bedarf daher der Ergänzung: "homo homini lupus et socius".

Mit Bezug auf jegliche Art der Gewährleistung von Freiheitsräumen mit jedem denkbaren Inhalt ergibt sich, dass sie unter der conditio humana (den allgemeinen Bedingungen der Beschaffenheit der Menschen) insbesondere wegen der Notwendigkeit korrespondierender Freiheitsbeschränkungen bei Versagen einvernehmlicher Konfliktlösung letzten Endes nur mit Hilfe des Einsatzes von Gewalt möglich ist. Gewaltanwendung ist aber immer mit einer Gefahr für Leib und Leben verbunden. So erweist sich die Bereitschaft zu diesem Einsatz als ultimative Voraussetzung jeglicher Freiheit.

Der Bedarf nach einer Lösung des Konflikts zwischen Freiheitswünschen tritt meist nicht erst bei einer kollidierenden äußerlichen Betätigung in der Welt der Körper und Sachen sondern bereits dann auf, wenn eine geistige Betätigung zutage tritt, die selbst Freiheitswünsche beeinträchtigt oder Konflikte ankündigt. Das Friedensinteresse fordert daher eine breite Vorwegnahme der Verteilung der Freiheitsräume schon aus Anlass einer derartigen geistigen Betätigung.

Insbesondere: Die Gedankenfreiheit.

Auch Geistesregungen können Freiheiten bedrohen und sogar unmittelbar verletzen.

Die Überzeugung von einer (positiven oder negativen Bewertung eines Ziels, eines Gegenstandes, von Verhältnissen oder einer Person und insbesondere der Glaube an eine Religion oder ein Ideal, deren Verwirklichung die (freiwillige oder verbindliche) Einschränkung von Freiheiten Andersdenkender oder Anders- oder Ungläubiger voraussetzt, kann deren Freiheiten bedrohen, wenn sie die Absicht zu begründen drohen, sie gewaltsam durchzusetzen. Die Überzeugung oder der Glaube sind besonders gefährlich, weil sie erst bekannt werden, wenn sie zutage treten. Daher wurde und wird bis in die Gegenwart versucht, bereits bestimmte Bewertungen auszuschalten oder auszuschließen, dass von ihnen eine Freiheitsbeschränkung ausgeht. Dem steht entgegen, dass die natürliche Gedankenfreiheit des Menschen die Feststellung einer Bewertung oder Absicht erschwert oder unmöglich macht, solange und soweit der "Gefährder" sie leugnet oder unzutreffend darstellt.

Ist eine wirkliche Gefahr gegeben, besteht ein Regulierungsbedürfnis auf Grund einer Abwägung der beteiligten Freiheitsansprüche. Versagt die Regulierung, droht Gewalt. Zum Teil haben sich diejenigen, die im Laufe der Geschichte zu verbindlicher Verteilung der Freiheitsräume in der Lage waren, damit begnügt, dass Gefährder ihren Bewertungen zumindest äußerlich abgeschworen haben, um von einer Freiheitsbeschränkung abzusehen. Wo die vermeintlichen "Gefährder" dazu nicht bereit waren, etwa weil sie sich zur Wahrheit verpflichtet fühlten, oder wo der Schwur nicht überzeugte, haben sich die Entscheidungsträger nicht damit begnügt, die befürchtete Betätigung etwa durch Verbannung oder Haft zu verhüten, sondern sie haben die Verfolgung sowie schreckliche oft massenhaften Folterungen und Tötungen verdächtiger "Gefährder" angeordnet oder geschehen lassen, weil die Bewertung oder der Glaube als letzte vermeintliche Ursache einer Gefahr auf andere Weise nicht aufgehoben werden kann.

Die Äußerung von Bewertungen der genannten Art können auch unmittelbar das Geltungsbedürfnis Betroffener oder Andersdenkender beeinträchtigen. Auch dann bedarf es einer verbindlichen Freiheitsverteilung und es droht bei deren Versagen gewaltsame Verfolgung der kollidierenden Freiheitsansprüche. Derartige unmittelbare Beeinträchtigungen des Geltungsbedürfnisses durch Gedankenäußerung können mit Hilfe einer Abwägung des Bedürfnisses gegen den Anspruch auf die Freiheit der Äußerung von Gedanken reguliert werden.

Der Staat als Hort der Freiheit.

Auch in der Neuzeit werden die Freiheitsräume nach wie vor weitgehend durch selbstbestimmtes Verhalten der Einzelnen und durch Übereinkunft ihrer Gesellschaften verteilt. Die gesellschaftlichen Kräfte reichen allerdings zur Schaffung akzeptabler Freiheitsräume in der Regel nicht aus, und Machtausübung multipler Parteien verhindert die allgemeingültige Definition und Durchsetzung ausreichender Freiheiten und Freiheitsbeschränkungen. Den offenen Verteilungsbedarf deckt der Staat kraft seines Monopols überlegener territorialer Gewalt in letzter Instanz. Er gestaltet die innerstaatlichen Freiheitsräume durch erforderlichenfalls gewaltsamen Vollzug seiner Gesetze des materiellen und Verfahrensrechts und die internationale Beziehungen durch Vereinbarungen oder unmittelbar durch Gewaltanwendung.

Selten befriedigend und nicht selten katastrophal sind die Ergebnisse gewaltsamer internationaler Auseinandersetzungen, besonders als Folge des Einsatzes moderner Waffen. Ähnlich schlimm steht es um die Schaffung akzeptabler Freiheitsräume, wo Staatsbildung nicht gelingt oder Staaten ersatzlos zerstört werden.

Hand in Hand mit der Entwicklung moderner Kommunikations- und Herrschaftsformen unter den durch Wissenschaft und Technik geprägten Verhältnissen moderner Massen- und Industriegesellschaften und mit der Entwicklung alter und neuer Ideologien mit Bezug auf die Förderung des Gemein- und Einzelwohls durch innerstaatliche und internationale Friedensordnungen gehteine vermehrte Ausübung der Freiheitsverteilungsfunktion durch den Staat. Eine unter dem Gesichtspunkt humanitärer Entwicklung fortschrittliche Gestaltung der Staats- und Rechtsordnung, die dem Einzelnen möglichst große Freiheitsräume verschafft, ist allerdings unter den Entfaltungsbedingungen moderner Staaten durch den besonderen Bedarf an Freiheitsbeschränkungen erschwert, den die Erhaltung der Existenz und die Bewältigung der Aufgaben solcher Staaten mit sich bringt.

Infolge der rasanten Entwicklung von Waffen im technischen Zeitalter und der Entwicklung zum Teil internationaler Terroristenverbände erfordert die Verteidigung der Staaten Aufwendungen, die ihre Bevölkerung schwerer denn je zuvor belasten. In der jüngsten Gegenwart (Anfang 2020) bietet die nur mit Hilfe der Staaten zu bewältigende Bekämpfung einer Pandemie ein anschauliches Beispiel, wie schnell und wie umfangreich Freiheitsbeschränkungen eingeführt werden, die zur Bewältigung einer neuartigen mächtigen Bedrohung von Gesundheit und Leben erforderlich erscheinen.

Politische Praxis und Wissenschaft haben aber umfangreiche, manchmal schon sehr alte und oft kluge Lehren entwickelt, wie das Ziel angestrebt werden kann. Zu diesen Lehren gehören das " demokratische Prinzip" der Staatswillensbildung durch Mehrheitsentscheidung der Staatsbevölkerung und etwa Einzelheiten innerstaatlicher Gewaltenteilung. Dazu gehört vor allem ein Prinzip, wonach Freiheitsbeschränkungen nur subsidiär auf Grund des Nachweises ihrer Erforderlichkeit zur Verfolgung übergeordneter Ziele zulässig sind, und das dem Einzelnen unantastbare Grundrechte einräumt (sogenanntes rechtsstaatliches Verteilungsprinzip, das allerdings auch den Schutz einer Freiheit ohne diesen Nachweis ausschließt). Das wohl wichtigste dieser Grundrechte ist das Recht auf Gedanken-, Meinungs- und Kommunikationsfreiheit, das durch die Freiheit der Religionsausübung ergänzt wird. Mit diesen Rechten ist die Berücksichtigung einer Bewertung oder eines Glaubens als Gefährdung einer Freiheit bei der Entscheidung als Abwägungsgrund für eine Freiheitsbeschränkung unvereinbar. Die mit dem Grundrecht der Gedanken-, Meinungs- und Kommunikationsfreiheit gefundene Freiheitsverteilung beruht auf der Inkaufnahme des Risikos, das sich aus der inneren Bereitschaft Einzelner oder von Gruppen zur ultimativen Gewaltanwendung ergibt, solange die Bereitschaft nicht ins Werk gesetzt sondern innerlich oder von außen beherrscht wird. Gedankenfreiheit ist auch angesichts dieses Risikos Voraussetzung für ausgewogene Freiheitsverteilung und insbesondere für Demokratie, weil ohne gedankenfreie Diskussion eine möglichst vollständige Berücksichtigung der für eine Abwägung relevanten Aspekte kaum zustande kommt, und weil die spezifisch menschliche natürliche und weitgehend unangreifbare Gedankenfreiheit als Ursprung menschlicher Willensbetätigung zu den wichtigsten Bedingungen für Frieden gehört.

Schutz der Freiheit des Einzelnen im Staat.

Seinen Aufgaben und Ressourcen entsprechend ist die Macht des modernen Industriestaates groß. Auch wenn es sich der Staat zur Aufgabe gemacht hat, die zwischenmenschliche Freiheitsräume so weit wie möglich zu gestalten, steigert sich seine Macht im Gleichschritt mit immer neuen und immer schwierigeren Aufgaben, insbesondere wenn diese auf innere oder äußere Sicherheit bezogen sind. Entsprechend wächst die Gefahr eines übermäßigen Gebrauchs und sogar des Missbrauchs staatlicher Macht zur Freiheitsbeschränkung.

Deshalb bedarf es einer verfassungsrechtlichen Selbstbeschränkung der Staatsgewalt auf eine demokratische, gewaltenteilende Staatsform und auf das oben beschriebene Rechtsstaatsprinzip, zumal auch die demokratische Mehrheit gegen den ungerechtfertigten Einsatz oder Missbrauch von Macht nicht immun ist. Eine solche Verfassung kann freilich nur unter nachhaltigem Einsatz der Bevölkerungen geschaffen und aufrechterhalten werden. Dazu bedarf es eines hohen Standes politischer Bildung der Bevölkerung und geeigneter Einrichtungen zu Verwirklichung ihres breiten und gründlichen Einflusses auf die Staatswillensbildung.

Mahnung

Wer im öffentlichen Raum oder bei Versammlungen, womöglich mit geballter Faust oder als Teil einer zum Beispiel durch Insignien erkennbaren Gruppe den Ruf nach "Freiheit" erhebt, ohne die geforderte Freiheit und ihre Folgen sowie die für sie erforderlichen Freiheitsbeschränkungen und deren Folgen ausreichend genau zu beschreiben, erhebt zugleich - wie oben dargelegt - eine Forderung nach unbestimmten Freiheitsbeschränkungen, die potentiell mit Gewalteinsatz (und daher mit Lebensgefahr) für vielfache denkbare Ziele verbunden sind. Jedermann, der sich angesprochen oder betroffen fühlt, kann alle ihm passenden Freiheitsbeschränkungen mit dem Aufruf verbinden.

Manchmal gibt es Zusammenhänge, die den Freiheitsruf erläutern. So liegt es beim Deutschlandlied und bei der von Thomas Jefferson formulierten Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Nordamerika ("life, liberty and the pursuit of happiness"). Hier ist zumindest klar, dass es sich um die gleiche Freiheit aller Staatsangehörigen handelt, die nur durch das verfassungsmäßig zustande gekommene Gesetz beschränkt ist. Eine genauer definierte Abgrenzung von Freiheit und Bindung ergibt sich allerdings auch hier erst aus Einzelheiten der Verfassung.

Millionen meist sehr junge Deutsche marschierten erst vor 80 oder 90 Jahren als Mitglieder nationalsozialistischer Jugendorganisationen oder als oft freiwillige Rekruten überwiegend mit zumindest einer gewissen Begeisterung hinter wehenden Fahnen und sangen dazu: "Nur der Freiheit gehört unser Leben" und "Freiheit ist das Feuer, ist der helle Schein..." Viele mögen garnicht viel dabei gedacht haben sondern waren hingerissen vom allgemeinen jugendlichen Sturm und Drang, der hier eine Bühne fand. Einige wenige mögen unter dem unmittelbaren Eindruck der Folgen des Ersten Weltkriegs an Freiheit von Reparationslasten oder an die Eingliederung der Saar, des Sudetenlandes oder Oberschlesiens nach Deutschland oder an die Freiheit Deutschlands zur Unterhaltung einer Wehrmacht gedacht haben. Nicht wenige dachten an die Befreiung von Klassenhierarchien, die tatsächlich noch gesellschaftliche Wirkung entfalteten, und es wurde gesungen: "wir sind nicht Bürger, Bauer, Arbeitsmann, haut die Schranken doch zusammen... ". Manchem wird es um Befreiung aus ärmlichen Verhältnissen, auch aus großer Armut gegangen sein. Ebenfalls nicht wenige dachten an Freiheit von der angekündigten Weltherrschaft Stalin'scher Art. Manche waren infiziert von einer mit märchenhaften Lügen und Diffamierungen aufgeheizten Psychose einer Vorstellung von Freiheit von Einfluss oder auch nur von der Gegenwart "Fremder" im Sinne einer phantastischen Verherrlichung einer ebenso phantastischen Vorstellung von der eigenen und überhaupt von Volkstum und Rasse. Einige mögen sogar an die Freiheit gedacht haben, andere Länder, vielleicht aus Rache, zu demütigen oder zu beherrschen. Aber kaum einer hat an das gedacht, was diejenigen tatsächlich im Sinn hatten, die sie zum fahnengeschmückten Marsch mit Freiheitsgesang aufgerufen hatten: einen Vernichtungskrieg mit dem Ziel deutscher Herrschaft mindestens über Europa und "den Osten" und millionenfachen Massenmord an Juden und fremden Völkern. Und wenige haben dabei gemerkt oder geahnt, das sie sich selbst auf dem Weg in oder bereits in einer Lage in Deutschland nie zuvor erlebter Unfreiheit und insbesondere des Verlusts der Freiheit befanden, sich der Teilnahme am Vernichtungskrieg und Völkermord zu entziehen. So wirkte es sich aus, dass niemand öffentlich eine Präzisierung des Gesangs forderte, nicht um Freiheitsdrang zu unterdrücken, sondern um sich mit relevanten Inhalten auseinanderzusetzen und schließlich zu erkennen, dass die im Lied verheißene Freiheit vor allem das war, was das Lied selbst doppelsinnig als "Schein" bezeichnet.

Wer also nach Freiheit ruft, sollte daran denken, dass er damit entsprechende Freiheitsbeschränkungen fordert, die auch für ihn selbst gelten. Daher sollte er seinen Freiheitswunsch und die daraus folgenden Freiheitsbeschränkungen genau bestimmen und bewerten und ihr Gewicht abwägen und seinen Freiheitswunsch gegebenenfalls vernünftig anpassen.

Andererseits fordert größtmögliche Freiheit die Wachsamkeit und Einsatzbereitschaft von Jedermann gegen drohende unausgewogene Freiheitsbeschränkungen. Er darf und soll verantwortungsbewusst nach Freiheit rufen, auch wenn er die Bedrohung mehr erahnt als beschreiben kann. Es gibt viele Gründe aus denen viele hierin behindert sind. Aber jedermann und insbesondere diejenigen, die für ausgewogene Freiheitsräume verantwortlich sind, müssen jeden Freiheitsruf erst einmal ernst nehmen, schon allein weil seine Ignorierung, berechtigt oder nicht, geeignet ist, Gewaltbereitschaft anzuregen. In jedem Freiheitsruf ist nach Freiheitsbeschränkungen zu suchen, deren Berechtigung oder Erfordernis tatsächlich einer Diskussion bedürfen, und die Diskussion ist mit den Rufern zu führen, um sie zur Präzisierung oder zur Aufgabe ihrer Auffassung zu veranlassen. Allein schon das Friedensinteresse, aber auch berechtigter Freiheitsbedarf und erst recht die demokratische Idee sowie die Achtung von dem Teilhaberecht jedes Demokraten verbietet eine Ausgrenzung der Rufer und fordert stattdessen Bemühungen um Konfliktbewältigung.

Ein Anstieg politischer Krawalle oder auch politischer Gewaltkriminalität wirft unter anderem auch die Frage auf, ob genügende Begründungen für geltende Freiheiten und Freiheitsbeschränkungen vorhanden und ausreichend bekannt gemacht sind und ob Freiheitsbedürfnisse genügend diskutiert werden. Als deutsche Beispiele seien die seit geraumer Zeit mit Unfrieden einhergehenden Forderungen der "Patrioten gegen Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) und derjenigen betrachtet, die ein anderes Deutschland fordern.

Pegida -"Patrioten" verlangen nach einer Freiheit, zu deren Herstellung etwa die Ausweisung von Mohammedanern oder eine Beschränkung ihrer Religionsausübung oder Lebensgebräuche erforderlich wäre. Ihre Forderungen sollten von Publikum, von den Parteien und Regierungen, ganz unabhängig von allem anderen, was das Gesetz wegen ihres Verhaltens womöglich fordert, in aller Ruhe auf ihren genauen Inhalt untersucht und es muss öffentlich erläutert werden, weshalb Frieden daheim und in der Welt von Religionsfreiheit und entsprechender Toleranz abhängt, welchen Wert Toleranz als Faktor fortschreitender Humanisierung des Zusammenlebens und welchen Nutzen die Einwanderung von Angehörigen aller möglichen Religionsgemeinschaften vermitteln und dass übrigens Islamisierung des Abendlandes ohne Freiheitsbeschränkung sicher dadurch verhindert werden kann, dass die Abendländer ihre eigenen religiösen Überzeugungen öffentlich, intensiv und nachhaltig zur Geltung bringen.

Den anderen, die eine Alternative für Deutschland fordern, ist ganz unabhängig von allem, was das Gesetz wegen ihres Verhaltens womöglich fordert, zuzugeben, dass manche Freiheitsverteilungen in Deutschland und in der Welt der Änderung bedürfen, und dass insbesondere eine freiheitsbeschränkende Finanzierung deutscher und europäischer Bedürfnisse durch Überschuldung Deutschlands und Europas und eine weitgehende Mandatserteilung zur Ausübung von Hoheitsgewalt über Deutschland durch ausländische Instanzen und die Organisation und Kontrolle von Massenimmigration einer sehr viel gründlicheren öffentlichen Bekanntmachung durch die Regierungen und öffentlichen Diskussion aller Folgen und dafür und dagegen sprechenden Gründe und Alternativen bedarf als sie üblich ist. Auch eine Förderung dessen, was ein Volk und eine Nation ausmacht, sollte nicht als Tabu behandelt werden, zumal beides trotz aller Tabus tatsächlich existiert und Wirkung entfaltet. Zugleich besteht Anlass, diese Alternativisten daran zu erinnern, dass Verfassungsänderungen einem bestimmten Verfahren vorbehalten sind, und sich selbst daran zu erinnern, dass sie in bestimmtem Rahmen zulässig und vielleicht sogar angebracht sind. Die Untersuchungen und Erörterungen dürfen sich nicht auf die Präzisierung verlautbarter Forderungen beschränken sondern müssen sich auf die Suche nach vertretbaren Forderungen begeben, die in Freiheitsrufen enthalten sein könnten.

Es mag sein, dass die Unbestimmtheit von Forderungen der Pegida und der AfD politisch fahrlässig ist oder sogar auf eine tiefe Abneigung einiger ihrer Autoren gegen die Verfassung Deutschlands zurückgeht. Aber statt einer Ausgrenzung sind Diskussionsbereitschaft und eingehende Begründung bereits im Interesse des Friedens geboten und im übrigen dem Ideal einer wohlabgewogenen Freiheitsverteilung und der demokratischen Idee sowie der Achtung des Staatsbürgers geschuldet.


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