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England bedarf einer Abgrenzung der Kompetenzen für Außenpolitik zwischen Regierung und Parlament.
Schafft Premierminister Boris Johnson ein wichtiges Präjudiz ?

Eine "sub-page" zur Seite pro-re-publica.eu von Christian Heinze vom 20.10.2019.


Wenn das englische Parlament die Aufgabe hat, Außenpolitik aktiv zu bestimmen, so ist es damit überfordert. Man kann ihm sein Scheitern in Sachen Brexit nicht vorwerfen, und Selbstbeschränkung zu erwarten erschiene fast utopisch. Außenpolitik besteht in der internationalen Gewährung und/oder Annahme von Vergünstigungen oder Zufügung von Nachteilen bis hin zur Gewaltanwendung, wobei die Verhältnisse für die Entscheidungsbildung meist nur wenig Zeit lassen. Eine Versammlung von ein paarhundert Leuten kann keinen Vertragsinhalt, keine Vergünstigungen und Nachteile zweckmäßig gestalten oder verhandeln. Wäre eine Regierung in ihrer Außenpolitik an parlamentarische Aufträge gebunden, wäre ihr zweckmäßige Außenpolitik überhaupt nicht möglich, der Staat wäre handlungsunfähig. Möglich ist lediglich, bestimmte von der Regierung beabsichtigte Maßnahmen (zum Beispiel eine Kriegserklärung oder den Beitritt zu oder Austritt aus einer Staatenverbindung) an die Zustimmung des Parlaments zu binden, wenn dessen Entscheidung rasch genug herbeigeführt werden kann. Die Zustimmung zum Brexit hat das englische Parlament durch Gesetz von 2017 erteilt. Ein Widerruf der Zustimmung könnte den Lauf der europarechtlichen Frist für sein Inkrafttreten nicht ändern.

England hat ein Verfassungsproblem, indem es die Kompetenzen zwischen Regierung und Parlament nicht klar in diesem Sinne abgrenzt. Weil es keine geschriebene Verfassung hat, die Gewaltenteilung normiert, braucht es Präjudizien oder eine Instanz, die bei Konflikten in diesem Sinn entscheiden. Früher wirkte das Oberhaus als Garant einer sinnvollen Aufgabenverteilung. Nach dessen Entmachtung kommt infrage, dass die Regierung unakzeptable Forderungen des Parlaments ignoriert, auch wenn sie Gesetzesform haben, und so die Kompetenzlage im Wege des Präjudizes gestaltet. Vielleicht tut das Premierminister Boris Johnson gerade *), indem er den Gesetzesbefehl des Parlaments ignoriert, Verlängerung der Frist für das Inkrafttreten des Austritts zu beantragen. Aber dann wäre es inkonsequent, wenn er den Parlamentsbefehl nach Brüssel durchleitet. Denn das voreingenommene Brüssel könnte entscheiden, dass damit ein nach EU-Recht gültiger Antrag auf Verlängerung jener Frist gestellt ist. Infrage kommt auch eine Entscheidung des Supreme Court. Der hat zwar unlängst gegen die Regiereung entschieden, indem er eine Beurlaubung des Parlaments für fünf Wochen aufhob. Nun sollte er ebenso richtig das Gesetz aufheben, das den Verlängerungsantrag erzwingen will, weil es einer notwendigen Kompetenzverteilkung widerspricht.

Die Option einer Verfassungsgestaltung durch die englische Regierung ist bereits am 21.10.2019 überholt. Sie hat Papiere nach Brüssel gesandt, die von der EU als Antrag auf weitere Verlängerung der Austrittsfrist aufgefasst werden. Sollte die EU ihm stattgeben, wofür sich bereits Deutschland und Frankreich ausgesprochen haben sollen, ist wiederum das englische Parlament am Zuge, das sich bisher weigert, der von Boris Johnson ausgehandelten Austrittsvereinbarung zuzustimmen, ohne ihr inhaltlich eine klare Absage zu erteilen. Nur das Risiko eines no-deal-Brexit am 31.10.2019 könnte das englischen Parlament veranlassen, von der Möglichkeit einer Zustimmung zu dem von Johnson ausgehandelten Austrittsvertrag Gebrauch zu machen.



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