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"Vorschläge für eine europäische oder deutsche Migrationspolitik"
"Suggestions for a European or German Migration Policy"

Von/By Dr. Christian Heinze - Eine subpage zur Seite: / A Subpage to the Page: pro-re-publica.eu - 25.6.2018, Stand 1.7.2018

Siehe zum Themenkreis auch die Beiträge "PEgIdA". "Migration nach Europa", "Migration und Staatlichkeit" sowie " Migration - grundsätzliche Betrachtungen" dieser Homepage


Um zu nachhaltigem Erfolg zu führen, muss Migrationspolitik zugleich alle Probleme in ausreichendem Maße lösen, die sich aus Verhältnissen und Interessen und Problemen aller von Migration betroffenen Menschen, Gemeinwesen und Staaten ergeben. Sie können nicht isoliert betrachtet oder bewältigt werden. Die maßgeblichen Verhältnisse sind durch unwiderstehlichen Migrationsdruck und unabweisbaren Bedarf nach ausreichender Bevölkerung der Herkunftsländer und nach Füllung breiter Bevölkerungslücken in Zielländern gekennzeichnet. Das setzt zunächst die klare Grundentscheidung der beteiligten Gemeinwesen und Staaten für Ein- und Auswanderungspolitiken voraus. Deren sachnotwendige Verzahnung erfordert internationale Übereinkünfte. Nachhaltige Lösungen erfordern ferner die Unterstützung tragender Bevölkerungsgruppen oder -Mehrheiten in den beteiligten Ländern sowie die Entwicklung detaillierter Verabschiedungs- und Integrationspläne der beteiligten Staaten und deren Fähigkeit zu ihrer Umsetzung.

Im einzelnen gilt folgendes:


0 Die Abschätzung des Immigrationsdrucks und seiner (Un-)Widerstehlichkeit bedarf einer besonderen Darstellung. An dieser Stelle wird dazu auf das Werk von Walter Gorenflos, "Keine Angst vor der Völkerwanderung", Rotbuch Verlag, 1995, Bezug genommen. *)

Dasselbe gilt für eine nähere Darlegung des Immigrationsbedarfs in Zielländern.

*) In der FAZ vom 3.5.2018 hat Jasper von Altenbockum eine Breitseite gegen "die Verfechter einer als naturgewaltig behandelten Einwanderung" abgefeuert, deren Ziel, "wenn sie in den schönsten Regenbogenfarben gemalt wird ... gerade die Überwindung" der deutschen Kultur sei. Sicherlich entzieht sich der Migrationsdruck nicht jeder Einflussnahme, ihn zu leugnen ist jedoch fahrlässig. Den Einwanderern aber das Ziel zu unterstellen, "deutsche Kultur" zu überwinden, ist abwegig. Ihr Migrationswunsch wird durch alles mögliche andere bestimmt als durch ein solches Ziel. Dass wir dennoch von manchen von ihnen das eine oder andere lernen können, ändert daran nichts. Altenbockum erinnert in seinem Aufsatz auch an die These von Thomas Jefferson, "das Glück derjenigen, welche das Band der Gemeinschaft vereint, erfordert, dass sie so viel wie möglich in allen Sachen harmonieren, die sie miteinander auszumachen haben". Abgesehen davon, dass die Geschichte der USA seit Jefferson zu dieser Behauptung in besonderes krassem Gegensatz steht, wird sie auch durch die europäische und deutsche Geschichte widerlegt. Die Kultur auch der in diesen Regionen durch das Band der Gemeinschaft Vereinten, ist durch fremde Kulturen vielfach bereichert worden, man denke nur an die Bedeutung der zum Teil in Asien entstandenen antiken Geisteswelt oder des Christentums für Europa. Wenn sich Altenbockum noch darauf beruft, dass sich nach Deutschland migrierte Türken für das autokratische Regime Erdogans einsetzen, so übersieht er, dass das keine Schlüsse auf ihre Einstellung zur deutschen Verfassung zulässt, weil Lage, Probleme und Lösungsmöglichkeiten sich in beiden Ländern grundlegend unterscheiden.
1 In den potentiellen Herkunftsregionen von Immigranten sind, soweit solche dort nicht bereits vorhanden sind, stabile Staaten zu bilden, die über ein dauerhaftes Gewaltmonopol mit einer ausreichenden Ordnungsgewalt ausgestattet sind. Soweit sie unzureichend ist, muss deren Bildungs- und Wirtschafts- Infrastruktur ausgebaut werden.

Als Zwischenergebnis kann mit einem Abbau des Migrationsdrucks gerechnet werden. Denn auf diese Weise kann der Bedarf der Bevölkerung nach Sicherheit gedeckt werden, und der Wunsch, in der Heimat zu verbleiben, hat im Verhältnis zum Interesse an einer Vermehrung von Wohlstand großes Gewicht.

Für die Bildung eines stabilen Staates bedarf es einer staatstragenden Bevölkerung. Mit diesem Bedarf ist Emigration nur beschränkt vereinbar.
2 Es bedarf einer Übereinkunft der Herkunfts- und Zielländer über Migration. Die durch sie zu sichernden beiderseitigen Interessen umfassen den Entwicklungs- und Bevölkerungsbedarf der Herkunftsländer und die Aufnahme- und Hilfsbereitschaft der Zielländer. Als Faktor der Aufnahmebereitschaft ist das Maß des Auswanderungsdrucks zu berücksichtigen. Die Einigung setzt tragfähige und durchsetzbare entwicklungs- und bevölkerungspolitische Entscheidungen in den Herkunfts- und Zielländern voraus. Die Interessenbefriedigung kann durch Kombination von Entwicklungshilfe und Migrationsvereinbarungen kumuliert werden.
3 Die Immigrationsländer müssen Vorbehalte einer staatlichen Genehmigung für Immigration nach Maßgabe fester Regeln einführen und strikt anwenden, die das Interesse der Herkunftsländer am Verbleib Migrationswilliger und die Gemeinwohlinteressen Europas und Deutschlands gewährleisten. Entsprechende Genehmigungsvorbehalte liegen im Interesse der Herkunftsländer.
4 Die Migrationsgenehmigung muss davon abhängig gemacht werden, dass die Voraussetzungen für Integration (zB Sprachkenntnisse, Bejahung der Gesellschafts- und Rechtsordnungen des Einwanderungslandes, konkrete Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten, Familienzusammenhalt, besondere Integrationsvorkehrungen am Einwanderungsort) für jeden konkreten Einzelfall gegeben sind. Die Voraussetzungen müssen zuvor real geschaffen werden, und zwar in einem Umfang, der dem Einwanderungsdruck und den tatsächlichen Möglichkeiten zu seiner Kontrolle entspricht. Bewährte Vorbilder aus anderen Einwanderungsländern stehen zur Verfügung. *) Es ist im Einzelfall konkret zu entscheiden, wo Einwanderer angesiedelt und wie sie dort in Erwerb gesetzt und integriert werden.

Die Voraussetzungen der Migrationsgenehmigung müssen so weitgehend als möglich in den Herkunftsländern durch dort eingerichtete Vertretungen der Zielländer oder unter ihrer Mitwirkung geschaffen werden (Unterrichtung der Migranten, Entscheidung über die Migration). Die Immigranten über die Lebensbedingungen in den Zielländern zu informieren, und zwar besonders gründlich über diejenigen die ihnen fremd sind und unangenehm sein könnten. Auch eine gewisse Berufsausbildung kommt in Betracht **).

*) Anregungen für Integrationsvorkehrungen ließen sich trotz aller Unterschiedlichkeit der Umstände aus einem Studium der Maßnahmen gewinnen, die Brandenburg in der Folge des Edikts von Potsdam des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von 1685 über die Ansiedlung von Hugenotten ergriffen hat, die vor religiöser Verfolgung nach Preußen geflohen sind. Friedrich dem Großen (1712–1786) wird folgender Beitrag zur Migrationspolitik zugeschrieben: „Alle Religionen Seindt gleich und guht wan nuhr lie leüte so sie profesieren Ehrliche leüte seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wollten das Land Pöplieren, so wollen wir sie Mosqueen und Kirchen bauen“ (Max Lehmannm, Preussen und die katholische Kirche seit 1640, 1878, digitaslisiert von Google - http://www.archive.org/stream/preussenunddiek06grangoog#page/n23/mode/2up - abgerufen am 26.6.2018).

**) Die Presse berichtet im Sommer 2018 vom Fehlen von 45.000 Kraftfahrern und 50.000 Krankenpflegern in Deutschland. Eine Grundausbildung in diesen Berufen unter Berücksichtigung der Erwartungen im Zielland ist auch im Ausland möglich.
5 Es müssen in den Herkunfts- und Zielländern Einrichtungen zum lückenlosen Vollzug des Vorbehalts zu 4 an den Außengrenzen Europas und in den Gewässern außerhalb dieser Grenzen sowie in den europäischen Staaten und zur nötigenfalls gewaltsamen Zurückweisung und Zurückschaffung von Migrationswilligen geschaffen werden.

Auf diese Weise kann die tatsächlich stattfindende ungeregelte Zuwanderung mit ihren schrecklichen Unglücks- und Todesfällen, die sich auf dem Mittelmeer und beim Transport ereignen, und die Abschöpfung von Vermögen der Migranten durch Schlepper, die von der Illegalität der Migration profitieren, vollständig vermieden werden. Auf diese Weise wird die Auswahl der Migranten durch die Bedingungen illegaler und gefährlicher Migration ausgeschaltet und eine Auswahl ermöglicht, die den Bedürfnissen der Beteiligten entspricht.
6 Asylgewährung, wie sie etwa in Deutschland üblich ist, muss nach Voraussetzungen, Bedingungen und Vollzug vollkommen von Migration im Sinne der vorstehenden Anmerkungen getrennt werden. Es empfiehlt sich für Europa und Deutschland, die auf das völkerrechtlich gebotene Minimum zu beschränken und dieses notfalls noch zu reduzieren.

Das Unterfangen, alle Staaten mit der Pflicht zur Aufnahme aller Menschen zu belasten, die in der Heimat Gewalt und Krieg ausgesetzt werden, ist utopisch und kontraproduktiv. Denn die Menschen werden gerade am Herkunftsort benötigt, um Gewalt und Krieg zu überwinden.
7 Migrationspolitik muss Auswirkungen auf die Beziehungen der Herkunfts- und Zielländer zu Drittländern berücksichtigen und bewältigen.

Die Europäischen Länder haben ihre Errungenschaft der Freizügigkeit zu bewahren. Zu diesem Zweck besteht zumindest ein Bedürfnis einer Einigung zwischen ihnen über die wichtigsten Themen der Migrationspolitik, vor allem über die Zahl und Integration der von jedem Land aufzunehmenden Migranten. Außerdem besteht Bedarf für eine gemeinsame Durchsetzung des Vorbehalts der Migrationsgenehmigung an den Außengrenzen Europas.
8 Bis zum Inkrafttreten eines ausreichenden Plans für Europa muss Deutschland seine Interessen durch eine eigene Migrationspolitik wahren.

Vordringlich ist die Aufhebung des Asylgrundrechts. Es ist durch eine Ausweitung des Asylbegriffs untragbar geworden, der Ansprüche auf Asylgewährung begründet, auch wenn sie mit den Grundlagen der Existenz der Herkunfts- und/oder Zielländer unvereinbar ist (zum Beispiel bei Flucht vor Krieg oder Bürgerkrieg oder Fehlen einer die Mindestversorgung gewährleistenden Wirtschaftsordnung). Völkerrecht scheint dem Wortlaut nach für keinen Staat akzeptablen Auslegungen Vorschub zu leisten, doch können mit dem Staatsbegriff unvereinbare Regularien auch durch umfangreiche Zustimmung keine völkerrechtliche Wirksamkeit erlangen, schon weil eine solche Auslegung mit den Staaten die Quelle allen den Namen verdienenden Recht ausschalten würde. Die herrschende Völkerrechtspraxis trägt dem Rechnung. Der Inhalt des Asylrechts sollte auf den völkerrechtlichen Mindeststandard reduziert werden. Dieser dürfte beispielsweise eine Rechtsweggarantie nicht umfassen, die jede rechtsstaatliche Rechtspflege aufs schwerste belasten muss.

Sodann muss eine Rechtsordnung bestimmter Voraussetzungen für Migration nach Deutschland geschaffen und ihre Verwirklichung und Einhaltung einschließlich der effektiven Verhinderung und Aufenthaltsbeendigung illegaler Immigration und Immigranten sichergestellt werden. Mängel an beidem in Deutschland gefährden den Zusammenhalt der EU und die Existenz Deutschlands als Staat. Der Schaffung, Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer solchen Rechtsordnung steht EU-Freizügigkeitsrecht in Verbindung mit der im Vergleich zu den von Migranten am ehesten aufgesuchten anderen europäischen Ländern außerordentlich hohen, durch die Regierung der letzten Jahrzehnte noch erheblich erhöhte Attraktivität Deutschlands entgegen. Beides muss auf ein mit der gebotenen Migrationspolitik vereinbares Maß zurückgeführt werden.



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