Ticker: (Euro-)Überschuldungskrise
Von Dr. Christian Heinze
Die sogenannte
"Euro-Krise" (vgl. dazu dir Glosse
zur
Euro-Sanierung)
erträgt
diesen Namen zu Unrecht. Die Krise besteht nicht in dem Bestand
einer gemeinsamen europäischen Währung und hat auch
nicht in der Euro-Währung ihren Ursprung. Die der Begründung der
gegenteiligen Ansicht dienende Behauptung, die Wirtschafts- oder
Haushaltspolitiken der Euro-Länder seien nicht genügend abgestimmt oder
es fehle an einer gemeinsamen Wirtschafts- oder Haushaltspolitik,
überzeugt nicht. Auch eine große Unterschiedlichkeit der Haushalts-
und Wirtschaftslage der Wirtschaftssubjekte eines nationalen
Währungsraums beeinträchtigt nicht die Funktionen seiner Währung als
Vergleichsmaß für seine Produkte und Leistungen, für die
auszugleichenden Angebote und Nachfragen, als Transaktionsmittel, als
Wert-Träger oder als Maß für wirtschaftliche Vorgänge und Zustände und
für Wohlstand. Die einheitliche Währung entfaltet ihre
Infrastrukturfunktion gleichmäßig zum Nutzen von Reich und Arm. Das
bestätigt die für die Einzelstaaten der USA geltende Dollar-Währung
und gilt auch für eine gemeinsame Währung mehrerer europäischer Länder.
Eine gefährliche Krise entstand allerdings durch den
Missbrauch
der Währung als Instrument der
Umverteilung
von Wohlstand mit Hilfe von Geldschöpfung. Wirtschaftlich betrachtet
besteht die Umverteilung in der Gewährung von Pro-Forma-Krediten durch
das Zentralbanksystem an "bedürftige", aber in ihrer Leistungsfähigkeit
beschränkte (staatliche und private) Empfänger, deren Rückzahlung
unwahrhscheinlich und teilweise praktisch ausgeschlossen ist. Da die
Mitgliedsländer der Währungsunion für die Deckung der geschaffenen
Valuta haften, führt das zu deren
Überschuldung in
einer Größenordnung, die in Jahres-Sozialprodukten dieser Länder zu
messen ist. In dem Umfang, in dem Rückfluss der ausgereichten Valuta
nicht zu erwarten ist, stellt der Vorgang eine Transferleistung
überragenden Ausmasses dar.
Zur Krise trägt ein allgemeiner
Missbrauch des Kredits
durch private und staatliche Kreditgeber und Kreditnehmer bei. Die
zu den Grundpfeilern des marktwirtschaftlichebn Systems gehörende Freiheit,
Kredit zu geben und zu nehmen, gehört zu den Fundamenten der
Marktwirtschaft. Das System geht das damit verbundene Verlustrisiko auf Grund
seines anderen Fundaments der Haftung für Verbindlichkeiten mit dem ganzen
Vermögen des Schuldners ein, weil der Kreditgeber zu vorsichtiger Abschätzung
seines Risikos gezwungen ist.
Risiko und Haftung sind der Preis der
Freiheit, Kredit zu geben und zu nehmen. Solange Haftung tatsächlich
durchgesetzt wird, kommt es nur ausnahmsweise zu Überschuldung, und ihre Folgen
werden vom Kreditgeber und Kreditnehmer ohne Schaden für das System getragen.
Staatliche Kreditaufnahme kann (in Grenzen) mit Hilfe der staatlichen Möglichkeit
zur Erhebung von Abgaben und insbesondere Steuern finanziert werden. Kredit wird
vom Geber wie vom Nehmer mißbraucht, wenn die Rückzahlung ungewiss ist. Die Staats- und viele Privathaushalte sind
Kreditverbindlichkeiten eingegangen oder durch die Verwaltung des Euro mit
solchen belastet
worden, die sie nicht tragen können. Kredit darf und soll zur Finanzierung
rentabler Investitionen aufgenommen werden. Zum größten Teil handelt es sich
aber beim Verschuldungs-Übermaß um die Kreditfinanzierung von Konsum, die -
gemessen an den Funktionsbedingungen der Marktwirtschaft - bereits als solche
einen Missbrauch darstellt. Wird aber
die Haftung aufgehoben oder sind im Falle staatlicher Kreditaufnahme die
Abgaben-Ressourcen erschöpft, so
bricht das marktwirtschaftliche System
und/oder der
Staatshaushalt zusammen. Ist es die
Organisation des Währungssystems selbst, die Kredit missbraucht oder
staatliche Leistungsfähigkeit überfordert, führt das zum
Zusammenbruch
des Währungssystems.
Treffen allseitige Kredit-Missbräuche mit Verfebhlungen der Währungsverwaktung
zusammen, potenziert sich die Wirkung. Das ist im Euroland der Fall. Begleitet
von globaler Unterversorgung und Gefährdung durch weltweite Kämpfe um Lebensart
und Glauben verläuft eine
Europäische Krise, die durch
Verfehlung der Bedingungen optimaler Produktion und Verteilung von Gütern und
Leistungen und insbesondere eine europaweite Überschuldung ausgelöst ist und
auch tiefere, nicht auf den ökonomischen Bereich beschränkte Ursachen hat. Die
künstlich auf Kosten der besser wirtschaftenden Partnerländer der EU
verlängerte und erträglich bis profitabel gestaltete
Agonie
Griechenlands bildet die Spitze des Eisberges. Die Europäische Union
blieb auch angesichts deser Agonie auf dem Holzweg des Versuchs, die Krise mit
Hilfe weiterer Verschuldung und Umverteilung anstatt in Wahrheit und Klarheit
durch konsequenten, vernünftigen Ausgleich von Leisten und Haben zu
bewältigen. Neuerdings,
Ende November 2016 tritt ein weiterer Teil des Eisbergs
durch die Ankündigung eines
Sanierungsbedarfs Italiens von 40 Mrd. Euro
zutage.
Die Haftung der Staaten, die das
Euro-System tragen, hat durch
die de-facto-Kreditgewährung des Systems spätestens 2016 einen Grad erreicht,
der jedenfalls
die Leistungsfähigkeit Deutschlands übersteigt.
Um die Fähigkeit zu einer wirksamen Führung des Staatshaushalts und um das
nationale Wirtschaftssystem zu bewahren, Muss Deutschland spätestens die
Anmeldung eines italienischen Rettungsbedarfs von 50 Mrd. Euro im November 2016
zum Anlass nehmen, eine
Beschränkung seiner Haftung zu erklären.
Kein Völkerrecht, keine Vereinbarung kann einen Staats verpflichten,
sich zu überschulden. Es würde eine schwere Belastung der Staatlichkeit
darstellen und schließlich auch die Glaubwürdigkeit der EU schwächen, wenn der
Europäische Gerichtshof und das Bundesverfassungsgericht anders zu verstehen sein
sollten.
Zur
Korrektur bedarf es nicht einer Aufgabe
"des EURO" sondern einer Aufgabe der Überschuldungspolitik, einer
Wiedereinführung der vollen Haftung für
Verbindlichkeiten und einer Rückführung der Organisation des EURO-Systems auf
die ureigenen Aufgaben einer Währungsverwaltung sowie eines Schuldenabbaus
oder eines Konkursverfahrens. Die für die
Überschuldungspolitik der Europäischen Zentralbank haftenden Länder, allen
voran Deutschland, sind bereits durch die bisherige Überschuldung im Kernbestand
ihrer staatlichen Existenz derart gefährdet, dass kein Vertrag, kein
Völkerrecht sie verpflichten kann, sich zusätzlicher Überschuldung zu unterwerfen.
Sie sollten nun (gemeinsam oder einzeln) erklären, nicht für eine weitergehende
Überschuldung zu haften, als sie zur Zeit besteht, sei es dass sie durch die EZB
oder anderweit innerhalb oder außerhalb ihres Staatshaushalts (zB durch
Beschränkung der Haftung von Schuldnern) begründet wird. Auch mit
der Gefahr des Abgleitens sanierungsbedürftiger Länder in Totalitarismus dürfen sich
andere Länder nicht zur Überschuldung erpressen lassen, durch die sie selbst in eine
solche Gefahr geraten. Eine
Haftungsbegrenzung ist übrigens
richtiger Auffassung nach unabhängig vom Inhalt geschriebener Verfassungen durch die
tatsächlichen Bedingungen für die Aufrechterhaltung von Staatsgewalt (Souveränität)
geboten. Aus der gleichen Quelle fließt ein
Verbot selbstgemachter
Überschuldung der
Staaten. Es wäre Aufgabe der EU und hilfsweise ihrer Mitgliedsländer, die Rückkehr
zur Marktwirtschaft, zur Geltung klarer Gesetze und Verträge und zu Verantwortlichkeit,
insbesondere zur Haftung für Schulden und zur Ausgleichswirkung eines überall
funktionierenden Wettbwerbs zu regulieren. Soziale Härten, für die die Betroffenen
nicht verantwortlich sind, sind im Rahmen der Leistungsfähigkeit der Union und ihrer
Mitgliedsländer zu mildern. Hauptaufgaben von Konkursverfahren werden in der
möglichst weitgehenden Vermeidung von Verteilungs-Ungerechtigkeiten, in der
Wiederherstellung des Vertrauens in das marktwirtschaftliche System und in der
Erhaltung von Produktions- und Leistungskapazitäten bestehen. Der Sanierungserfolg
wird letzten Endes von der Bereitschaft der Völker zur Harmoniserung von Leisten und
Haben und in einigen Sektoren, insbesondere im Bankenbereich, von eine Herstellung
von Wettbewerb abhängen.