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"pro re publica"
von/by Dr. Christian Heinze
1 | Staatshaushalt.
Staatshaushalte sind der Inbegriff der Einnahmen und Ausgaben eines Staates. Deren Zusammensetzung läßt sich grob wie folgt skizzieren: |
1.1 | Einnahmen.
Abgaben - Steuern - Entgelte für Staatsleistungen Erträge aus Wirtschaftsunternehmen Kredit |
1.2 | Ausgaben.
Kredit-Tilgung Kreditzinsen Investitionen - Staatsorganisation - Militär - Polizei - Justiz - Infrastruktur - - Straßen Eisenahnen Wasserstraßen Häfen Flughäfen - - Versorgung Energie Wasser Verkehr Kommunikation - - Verkehrssicherheit und -Ordnung, Normen, Aufsicht - Schulen, Hochschulen, Forschung, Bildung - Wirtschaftsunternehmen Laufende Unterhaltung (wie vor) - Ersatz, Reparatur - Personal, dessen Versorgung Sozialleistungen - Sozialhilfe - Ergänzende Sozialleistung (Arbeitslose, Renten) - Gesundheit, Hygiene |
1.3 | Gleichen sich die Summen der genannten Posten nicht aus, so ist
von Haushaltsüberschuss oder -Defizit die Rede.
Die Haushaltsrechnung ist von mehr oder weniger Unbestimmtheit begleitet. Wichtige Unbestimmtheiten betreffen beispielsweise den Posten „Kredit“. Haushaltsrisiken entstehen auch außerhalb der Haushaltsrechnung, so etwa solche aus Verbindlichkeiten der im Staatseigentum stehenden Notenbank. Hierhin gehören insbesondere Hilfskredite der EZB an kreditunwürdige Staaten. Oder die Unbestimmtheit betrifft Verbindlichkeiten, die erst künftig - etwa auf Grund Gesetzes - entstehen. Eine fragwürdige Rolle spielt die Gleichsetzung von Haushaltsüberschuß und „Primärüberschuss“ in der Umgangssprache. Bei letzterem sind unter anderem Zinslasten nicht berücksichtigt, die jedoch für die Bewertung einer Überschuldung gegenüber anderen Verbindlichkeiten nicht von vornherein vernachlässigt werden dürfen. |
2 | Nutzen und Grenzen.
Der Nutzen des Staates wird bestimmt durch die Qualität und Quantität seiner Einrichtungen. Diese sind begrenzt durch das Nationalprodukt, nach dem sich die Staatseinnahmen richten. Die Aufwendungen Deutschlands für die beiden Weltkriege und der Sowjetunion für den kalten Krieg überstiegen die Leistungsfähigkeit der Länder und führten zu ihrem politischen und wirtschaftlichen Zusammenbruch. Die Staatsausgaben sind durch die Staatseinnahmen begrenzt. Die Steuern sind durch das Nationalprodukt begrenzt. Staatstätigkeit ermöglicht und fördert das Nationalprodukt. |
3 | Staatsverschuldung.
Kredit bedeutet nicht nur Einnahme sondern Verbindlichkeit zur Tilgung und Verzinsung, kurz- oder langfristig. Kreditaufnahme bedeutet Verschiebung der Vergütung für den Besitz oder Konsum eines Gutes auf die Zukunft. Sie wird ermöglicht durch das Vertrauen des Gebers (credere = glauben) an die künftige Vergütung. Ist der Kreditnehmer dazu nicht in der Lage oder Willens und wird nicht zur Leistung gezwungen, so wird der Kredit zum Geschenk. Der Kreditnehmer wird keinen neuen Kredit (Glauben) erhalten. Das Zahlungsversprechen des Kreditnehmers wird zum Betrug, wenn er zahlungsunfähig wird. Solange er ein für das geborgte Geld erworbenes Gut besitzt, ist er „mit Sicherheit“ zur Rückzahlung durch seine Veräußerung fähig. Hat er das Geld darüber hinaus für Anlaufkosten (Aufwendungen für Erhaltung und Arbeit) vor Eingang von Renditen aufgewendet, muss er diesen Verlust aus seinen sonstigen Mitteln decken. Hat der Kreditnehmer den Kredit dagegen verwendet, um Konsum zu finanzieren, so ist er nur rückzahlungsfähig, wenn er die Rückzahlung aus seinem künftigen Einkommen zusätzlich zu dem dann laufenden Konsum zahlen kann. Entweder muß er künftig höhere Einkünfte haben oder seinen künftigen Konsum einschränken. Hierfür besteht wenig oder keine Sicherheit. Konsumkredit ist insoweit nur selten und jedenfalls nur auf Grund eingehender Prüfung der Sicherstellung künftiger Leistung und künftiger Erträge ohne Täuschung und Selbsttäuschung möglich und daher in aller Regel unehrlich. Für den eintretenden Schaden tragen Kreditgeber und Kreditnehmer Verantwortung, weil beide die Unsicherheit erkennen können. - Staatliche Kreditfinanzierung langlebiger Güter (Anlagen): Sie behalten ihren Wert vermindert durch laufenden Wertverlust, insoweit besteht Ersatzbedarf, ggf. mit Hilfe Aufstockung des Kredits. Entspricht die Tilgung dem zeitablaufbedingten Wertverlust nebst Erhaltung und die Aufstockung der Tilgung, so gilt sie den Substanzwert der Anlage ab. Gegenwert für den Zins ist der Wert der Nutzung, den der Staat oder die Gemeinschaft aus der Anlage ziehen. - Staatliche Kreditfinanzierung von Konsum (zum Beispiel Sozialhilfe, ergänzende Sozialleistungen) schädigt den Kreditgeber und vernichtet den „Kredit“ des Staates nur dann nicht, wenn der Kredit künftig neben den weiterlaufenden Aufwendungen verzinst und zurückbezahlt werden kann. Das ist nur möglich bei künftig steigenden Einnahmen oder sinkenden Aufwendungen. - Ähnlich liegt es bei der Kreditfinanzierung einer Investition in einer Höhe, die den künftigen Veräußerungswerts des Investitionsgutes übersteigt (zum Beispiel Aufwendungen für Erhaltung, Betrieb und Arbeit vor Eingang von Rendite gehört). Der Kredit kann ohne Konsumverzicht oder Leistungssteigerung nur zurückgezahlt werden, wenn die künftige Rendite aus der Investition neben Zins und Tilgung auch diesen Überschuss abdeckt. |
4 | Überschuldung.
Kann ein Staat Tilgung oder Zins nicht mehr zahlen, weil er im Verhältnis zu seiner Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt der Fälligkeit zuviel Kredit aufgenommen hat, so kann er auch Kredit zur Abdeckung seiner Kreditschulden nicht mehr erhalten, weil offenbar geworden ist, dass er Kredit nicht zurückzahlen kann. Er ist überschuldet und damit kreditunwürdig und zahlungsunfähig geworden. Seine Tilgungsverpflichtung besteht fort, seine Zinsverbindlichkeiten kumulieren sich. Kreditunwürdigkeit von Staaten tritt nicht unvorhersehbar plötzlich ein. Vielmehr beobachten seine Kreditgeber ständig das Verhältnis seiner Verschuldung zu seiner Leistungsfähigkeit. Dabei kommt es nicht nur auf die Höhe sondern auch auf den Fälligkeitszeitpunkt der Kreditforderung an. Ein langfristiger Kredit ist mit geringeren gegenwärtigen Tilgungs- und Zinslasten verbunden als ein kurzfristiger. Sinkt die Leistungsfähigkeit im Verhältnis zur Verschuldung und steigt damit das Risiko des Kreditgebers, so verlangt er höhere Zinsen. Ab einem bestimmten Zinssatz kann sich der Kreditnehmerstaat auch Zins und Tilgung nicht mehr leisten. Schon jetzt ist dieser überschuldet. Er muss von nun an weniger Kredit aufnehmen als er zurückzahlt. Als Faustregel gilt eine Verschuldungsgrenze von 60% des Nationalprodukts. Auf diese Grenze haben sich die Eurostaaten im Vertrag von Lissabon geeinigt. Sie geht davon aus, dass sich jeder Staat in dieser Höhe Investitionen in Anlagen und Konsumfinanzierung leisten kann. Das ist ein sehr unbestimmter Maßstab, solange die Laufzeit (die Tilgungsraten) und die Zinsbedingungen der einzelnen die Staatsverschuldung ausmachenden Kredite nicht berücksichtigt wird, nach der sich die aktuelle Belastung während bestimmter Zeiträume richtet. |
4.1 | Überschuldung, innnerstaatliche Wirkung.
Kreditgläubiger des Staates sind seine eigenen Bürger. Sie haben ihm zum Beispiel unmittelbar oder über Banken oder Versicherungsgesellschaften Geld gegen Zins geliehen, um mit der Rückzahlung nebst Zinsen ihren Alters- oder Gesundheitsbedarf zu decken. Der überschuldete Staat kann zum Schuldenabbau seine Abgaben erhöhen. Oder der kreditunwürdige Staat, der über eine eigene Währung verfügt, kann Geld drucken und dadurch die Inflationsrate (siehe Abschn. 4.3) erhöhen, wodurch die Kreditforderung seiner Gläubiger an Wert verlieren. Immer zahlt sein Volk die Kosten seiner Überschuldung. Hat der Staat den Weg über die Inflationierung gewählt, verlieren auch die privaten Kreditforderungen an Wert. Das gilt zum Beispiel für Kredite, die seine Bevölkerung direkt (zum Beispiel über den Erwerb von Unternehmensanleihen) oder über ihre Spareinlagen bei Banken gewährt haben. In beiden Fällen sinkt der Wohlstand und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Nation und der Einzelnen. Der Abstieg kann in Zusammenbrüche und den weitgehenden Verlust privater Vermögen und in Wirtschaftsstagnation führen. |
4.2 | Überschuldung, internationale Wirkung.
Staaten werden schon bei einem ungewöhnlichen Zinsanstieg für Anleihen anderer Staaten ihre Kreditgewährung an diese einstellen und ihre Wirtschaftsbeziehungen mit dem Kreditnehmerstaat reduzieren oder von Bedingungen abhängig machen, die dessen wirtschaftliche Betätigung erschweren oder belasten. Schon ehe die kritische Zinsforderungslage für Staats-Kreditaufnahme eingetreten ist, gebietet Vorsicht den Übergang zum Schuldenabbau und zum Abbau oder zur Erschwernis des Wirtschaftsaustauschs zwischen den Staaten. Der Zeitpunkt hierfür wird von den Staaten nach dem Verhältnis der Gesamtverschuldung zum Nationalprodukt abgeschätzt, wobei sie davon ausgehen, dass jeder Staat auf dieses Nationalprodukt durch angemessene Abgaben zugreift. Um zu vermeiden, dass ihn der ausländische Kreditgeberstaat schädigt, etwa im Extremfall mit Krieg seine Kreditforderungen eintreibt, oder auch nur um den Wirtschaftsaustausch mit anderen Staaten aufrechtzuerhalten, muss er andere als Geldleistungen erbringen. Er gerät in Abhängigkeit vom Kreditgeber. |
4.3 | Überschuldung, Abhilfe: Inflation, Währungsreform und
zwischenstaatliche Schuldenhilfe.
Eine allgemeine Erleichterung von Schuldenlasten bewirkt Inflation. Bei 2 % Inflation hat die Kreditforderung nach 10 Jahren 18,3 %, nach 20 Jahren 33,2 Prozent ihres Werts verloren. Das heißt: ein kreditgewährender Staat und damit sein Volk wird durch Kreditgewährung um den betreffenden Betrag ärmer, der Kreditnehmer reicher. Tritt dennoch Zahlungsunfähigkeit ein oder droht sie, so muss dennoch das Leben weitergehen. Innerstaatlich findet eine Währungsreform statt. Um einen neuen Wirtschaftskreislauf in Gang zu setzen, werden Geld und Forderungen durch staatliches Gesetz auf einen geringen Bruchteil abgewertet. Den Schaden tragen alle Besitzer inländischen Geldes oder inländischer Forderungen. Gold und Guthaben in ausländischer Währung werden gegen neue Währung zu einem Verlustkurs eingetauscht. Reicht das alles nicht aus, werden Abgaben erhöht, und zwar zuerst, weil die Abgabenschuldner kein Geld haben, auf Grundbesitz (Häuser, Eigentumswohnungen). So geschehen in Deutschland Anfang der 1920er Jahre und nach dem zweiten Weltkrieg. Zwischenstaatlich verspricht auch Krieg eher zusätzlichen Schaden als Befriedigung von Kreditforderungen. Um zwischenstaatliches Wirtschaften wieder zu ermöglichen, werden Schulden teilweise erlassen oder mit gleicher Wirkung die Kreditforderungen gestundet und/oder Zinsen ermäßigt. In diesem Fall bleibt der Genuss des verliehenen Geldes (im Wert zur Zeit seiner Hingabe) beim Kreditnehmerland. Den entsprechenden Verlust erleiden die Kreditgeberländer. Ein Beispiel bietet das Londoner Schuldenabkommen von 1953, in dem Deutschland ein Teil seiner auf untragbare Höhe angewachsenen internationalen Schulden erlassen wurden. Nichts anderes bedeuten Erlass, Stundungen oder Zinsverbilligungen zwischenstaatlicher Kredite, die innerhalb der Euro-Länder an überschuldete Staaten vergeben wurden. Hier ist die Überschuldung zwar nicht durch Kriegführung sondern durch überhöhte Kreditgewährung verursacht worden. Die Wirkung und die Notwendigkeit und Möglichkeiten der Abhilfe sind dieselben. |
5 | Die Moral von der Geschicht'.
Währungsreform und Entschuldung stellen die Voraussetzungen für den Wiederaufbau von Wohlstand und nützlichen Wirtschaftsbeziehungen nur in Ländern her, deren Wirtschafts- und Staatsordnung hierfür geeignet sind und dessen Volk zu Leistungen und zur Konsumbeschränkung auf die Erwerbseinkünfte in der Lage und bereit ist. Soll die Nullpunktsituation des Zusammenbruchs vermieden werden, so ist das nur über Schuldenabbau möglich. Das bedeutet: welche internationalen Hilfen auch immer gewährt werden, findet diese Vermeidung nur statt, wenn ihre Gewährung von einem sofort beginnenden und kontinuierlich fortschreitenden Abbau der Gesamtverschuldung des überschuldeten Staates bis auf die erwähnte (60%-) Grenze. Gewährleistet ist. Wie das im Staatenverbund der EU erreicht werden kann und ob und welche Wirkungen bestehende Einrichtungen und Verfahren und bereits ergriffene und unmittelbar bevorstehende Maßnahmen haben, steht auf einem anderen Blatt. Ebenfalls auf einem anderen, noch viel wichtigeren Blatt steht die Frage, ob Europa der Gefahr von Schädigungen von außen ausgesetzt ist und welche politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für deren wirksame Abwehr gegeben sein müssen. |