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Konservatismus

von Christian Heinze - Eine subpage zur Seite pro-re-publica.eu - Stand 2018 07 01

1 Konservatismus ist eine Geisteshaltung oder Denkrichtung, die bewahren oder wiederherstellen (restaurieren) will. Der Ausdruck wird zur Bezeichnung eines Denkens, Wollens und Handelns mit Bezug auf alle möglichen Gegenstände, meist jedoch für politische (hier und im folgenden bezogen nicht nur auf den staatlichen sondern auch auf den gesellschaftlichen Bereich) Einstellungen, Methoden und Ziele verwendet.

Gehört kein bestimmter Gegenstand zu den Begriffsmerkmalen des Konservatismus, so kann sich die Tendenz zum Bewahren oder Wiederherstellen auf jede denkbare Weltanschauung oder Ideologie, auf jedes denkbare Verhalten, jede Wirklichkeit richten. Der Bewahrungsbeflissene wählt den Gegenstand seines Konservatismus selbst aus.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird jedoch als konservativ ein Einzelner oder eine Gruppierung bezeichnet, die die Erhaltung oder Wiedereinführung eines mehr oder weniger bestimmten und mehr oder weniger umfassenden konkret-historischen Systems befürworten oder betreiben, das tatsächlich längere Zeit in ihrem konkreten Gemeinwesen gegolten hat oder besonders wirksam war oder ist. Gegenstand kann Überkommenes sein, auch wenn es bereits seit einiger Zeit nicht mehr gilt. In diesem Sinn unterscheidet sich, was Konservatismus bedeutet, nach seinem Gegenstand, von Ort zu Ort und innerhalb größerer Zeitabschnitte.

In einem engeren, progressiven Sinn kann eine Gesiteshaltung als konservativ gelten, die Ansichten (bezüglich Tatsachen, Folgerungen, Bewertungen, Meinungen, auch Glauben) auf Grund möglichst umfassender und gründlicher kritischer Recherche und Überlegung zu bilden sucht oder übernimmt, sie laufend kritischer Überprüfung an Hand verfügbarer neuer Informationen oder Ansichten unterzieht und am Ergebnis festhält, bis überzeugende Widerlegung oder Ergänzung zu einer Änderung Anlass gibt .

(Konkret und am deutlichsten ergibt sich aus den Homepages des Verfassers, was nach seiner Ansicht bis zur Widerlegung bewahrenswert ist und was verdient, an die Stelle von Hergebrachtem zu treten.)
2 Der politische Konservative wird als "rechtsgerichtet", übersteigerter politischer Konservatismus als "Rechtsradikalismus" bezeichnet. Die Bezeichnungen rühren von der Gewohnheit her, dass Konservative in Parlamenten in der Regel auf der rechten Seite des Plenums ihre Sitze hatten und haben. Konservative werden oft Wert darauf legen, sich gegen Rechtsradikale abzugrenzen.

Der Begriff des politischen Konservatismus trägt oft wenig zu inhaltsvoller Kommunikation oder zu Erkenntnis bei. Politische Kräfte verfolgen nämlich in der Regel sowohl bewahrende als auch progressive Tendenzen und zwar mit einer Intensität höchst unterschiedlichen Grades. Sie sind kaum jemals rein rückwärts gerichtet, obwohl ihnen das von politischen Gegnern gern vorgeworfen wird. Außerdem können Gegenstände von Konservatismus nicht nur nach Ort und Zeit sondern auch am selben Ort zur selben Zweit denkbar unterschiedlich bestimmt werden, wobei diese Bestimmung oft mehr oder weniger vage ausfällt. Ob eine politische Tendenz wirklich zur Bewahrung oder Herstellung geignet ist, wird oft streitig sein und sich nur schwer klären lassen. Schließlich unterliegt die inhaltliche Ausprägung eines konkreten Konservatismus oft raschem Wandel. Im allgemeinen eignet sich der Begriff noch am besten, um besonders weitgehende, "extreme" oder "extremistische" Bewahrungstendenzen hervorzuheben.

Zwar beruht die Bewahrungs- oder Wiederherstellungstendenz auf einer positiven Bewertung des Hergebachten an Hand bestimmter Interessen und Ziele durch denjenigen, der sie definiert. Generell spricht für Bewahrung dessen, für das trotz intensiver kritischer Bemühungen der Weisen kein nachweislich besserer Ersatz bereitsteht, daß sich Vergangenes oder Gegenwärtiges jedenfalls relativ sicherer bewerten lässt als Zukünftiges. Andererseits kann dieses "ungelöste" Gegenwärtige so unerträglich sein, zu seiner Bewältigung selbst größere Wagnisse am Platz sind. Da sich aber jedenfalls nur mit Bezug auf bestimmte Gegenstände in bestimmten Lagen objektiv mit einiger Sicherheit feststellen lässt, ob eine konservative oder progressive Politik bestimmten Interessen und insbesondere dem Gemeinwohl besser dient, bietet eine Tendenz zur Bewahrung oder Wiederherstellung jedenfalls nicht schon an sich ein Indiz für ihre zutreffende Bewertung. Nicht der Begriff des Konservatismus sondern dessen konkrete Ausprägung ist einer Bewertung zugänglich.

Es gibt allerdings politische oder gesellschaftliche Ziele, die so offensichtlich dem Wohl der Gemeinwesen wenn nicht der Menschheit dienen oder zuwiderlaufen, dass die Einordnung ihrer Verfolgung als konservativ oder progressiv wenig Sinn macht. Das gilt etwa für allgemeine Bildung oder für die Unterhaltung eines begrenzten staatlichen Gewaltmonopols, für die Erhaltung der für die Menschheit lebensnotwendigen Eigenschaften der Umwelt oder für die Ideologie des zeitgenässischen sogenanngen "Islamischen Staates".
3 Zwar ist es nach alledem verfehlt, den Begriff des Konservatismus für die Bewahrung oder Wiederherstellung der Geltung bestimmter Ideologien, Religionen, politischer Systeme oder Teilordnungen (wie etwa für Christentum oder die Staatsidee oder einen "übergeordneten Maßstab wie die des Herrschaft des Rechts") zu reservieren (so klingt es bei Barbara Zehnpfennig, FAZ 4.6.2018). Sinnvoll können aber, beispielsweise in einem politischen, politologischen, historischen oder philosohischen Diskurs, in bestimmten Zeiträumen in einem bestimmten Gemeinwesen politisch oder gesellschaftlich tatsächlich und erheblich wirksame, auf Bewahrung oder Wiederherstellung einer bestimmten Ordnung, die dort tatsächlich längerer Zeit oder mit großer Wirksamkeit gegolten hat, gerichtete konkrete politische Kräfte zusammenzufassend als konservativ identifiziert werden.

So ist es sinnvoll, beispielsweise mit Bezug auf die deutsche "Weimarer Zeit" Monarchisten und Anhänger eines extremen Nationalismus und mit Bezug auf die Gegenwart bereits Kreise als konservativ zu bezeichnen, die Volkstum, Heimatliebe, Nationalität, Gemeinsinn, Führung, Staatlichkeit, freiheitliche Rechtsstaatlichkeit oder christliche Prägung im Gegensatz zu gesellschaftlicher und nationalstaatlicher Auflösung, zu überwältigender Sozialisierung oder zu einem Verlust an Religiosität stärker betont sehen wollen als der politische Mainstream. *)

Auch ein derartiger "konkreter" Konservatismus oder Progressismus verdient nicht schon als solcher eine positive Bewertung. Autorität (etwa durch Überzeugungskraft oder Erfolg) kann sich aber sowohl im Konservatismus als auch im Progressismus der sie tragenden Pesönlichkeit(en) zur Geltung bringen.
Fußnoten *) Anknüpfend an die politische Geschichte Europas sieht etwa der amerikanische Botschafter der USA (Regierung Trump) in Deutschland Richard Grenell den politischen Konservatismus als Gegensatz zu "links" (in einem Interview für „Breitbart“ um die Monatswende Mai/ Juni 2018); Konservative werden danach gewählt als Alternative zu der nach Auffassung des Botschafters gescheiterten linken (sozialistsichen) Politik.

In den USA gelten als konservativ etwa der Sender Fox News, die Huffington Post, das Magazin Politico.

Die von Barbara Zehnpfennig in der FAZ vom 4.6.2018 erörterte Frage, ob die CDU konservativ ist, lässt sich wohl sinnvoll nur mit Bezug auf ihre Politik stellen. Die CDU mag durch den Bestandteil "christlich" in ihrer Bezeichnung den Anschein von Konservativismus erwecken. Von ihrer Politik lässt sich jedoch nicht sagen, dass in ihr das bewahrende Elemenet überwiegt. Wollte man die Kriterien "links" und "rechts" im vorerwähnten Sinne anwenden, so erschiene die Piolitik der CDU nur graduell weniger links als diejenige der SPD.
Literatur Armin Mohler, Handbuch: "Die konservative Revolution in Deutschland 1918–1932", 1950, 6. Auflage, hrsg. von Karlheinz Weißmann, Graz 2005. Das Werk hat eher historische Bedeutung.


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